58. die liebeden von valmont - Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
80 pages
Deutsch

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Description

Die schönen Stanton-Schwestern wurden von ihrem Vater alle als „Venus“ bezeichnet, da er besessen war vom alten Griechenland. Sir George Stanton jedoch stirbt ohne ihnen Geld zu hinterlassen und sie beschlieβen, daβ ihr Bruder Nicky unbedingt Oxford abschlieβen muss. Um ihm zu helfen entschlieβt sich Larisa Gouvernante zu werden. Die einzige Stellung, die ihr angeboten wird, ist jedoch in Frankreich. Im Zug auf dem Weg dorthin, trifft sie eine französische Schneiderin, die sie gegen den Vater ihres Zöglings warnt – den attraktiven Raoul Comte de Valmont. Sein Spitzname ist „Le Diable“. Wie Larisa die bösen Schwingungen hinter der schönen Fassade des Chateaus entlarvt und den Comte vor dem sicheren Tod rettet erzählt dieser Roman. Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein. Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.

Informations

Publié par
Date de parution 14 février 2016
Nombre de lectures 2
EAN13 9781782139560
Langue Deutsch

Informations légales : prix de location à la page 0,0222€. Cette information est donnée uniquement à titre indicatif conformément à la législation en vigueur.

Extrait

DIE LIEBENDEN VON VALMONT
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2017
Copyright Cartland Promotions 1985
Gestaltung M-Y Books
www.m-ybooks.co.uk
1.
„Er ist da! Er ist endlich eingetroffen!“ Mit einem Brief in der Hand stürmte Larisa in das S chulzimmer, und alle Gesichter wandten sich ihr zu. Lady Stanton, in ihrer Jugend eine ungewöhnliche Sc hönheit, wirkte jetzt ein wenig welk, doch ihre vier Töchter glichen griechischen Göttinnen. Der verstorbene Sir Beaugrave Stanton hatte ihre Sc hönheit auf die Tatsache zurückgeführt, daß er von der griechischen Antike nicht nur fasziniert, sondern geradezu besessen gewesen war. Aber ihr helles Haar hatten die Mädchen zweifellos Lady Stantons skandinavischen Vorfahren zu verdanken. Die klassis chen Züge und vollkommen proportionierten Gestalten jedoch hatte ihr Vater ihnen vererbt. Dem einseitigen Interesse des Vaters war auch zuzuschreiben, daß alle vier Mädchen griechische Vornamen hatten. Larisa wurde nach der Stadt genannt, in der er sich bei seinem ersten Griechenlandbesuch aufgehalten hatte, während Cynthus, Athene und Delos jeweils den Namen der Frauengestalt aus der griechischen Antike trugen, über die er zur Zeit ihrer Geburt gerade ein Buch schrieb. Sir Beaugraves einz iger Sohn, der jetzt den Titel trug, hieß Nicias, was ihm höchst peinlich war, weshalb der Name schon während der Schulzeit des Jungen in das weniger ausgefallene „Nicky“ umgewandelt wurde. Nicky schien an dem Brief, den Larisa jetzt der Mut ter übergab, nicht minder interessiert als seine Schwestern. Tiefes Schweigen senkte sich über das Schulzimmer, während die Familie fast atemlos darauf wartete zu erfahren, wie sich Larisa s und damit auch Nickys Schicksal gestalten würde. Es war Larisa gewesen, die obwohl nicht die älteste , so doch die praktischste, die ganze Familie aus ihrer Niedergeschlagenheit aufger üttelt hatte, als sie nach Sir Beaugraves Ableben festgestellt hatten, daß sie völlig mittellos waren. Zu seinen Lebzeiten hatte sich ausschließlich er um die finanziellen Angelegenheiten gekümmert. Zwar hatte er immer Vorsicht und Sparsam keit gepredigt, doch erst nach seinem Tod hatten sie begriffen, wie ernst ihre Lage war. „Ist dir klar, Mama“, hatte Nicky ungläubig gefragt, „daß Papa sein ganzes Kapital aufgebraucht hat?“ „Ich habe diese Dinge immer ihm überlassen“, hatte Lady Stanton erwidert. „Aber du hast doch gewußt, daß er in solchen Dingen hilflos war“, fuhr Nicky vorwurfsvoll fort. „Er lebte in einer anderen Welt, und die einzige Währung, die ihn interessierte, war die der alten Griechen.“ „Ja, ich weiß, ich weiß“, antwortete Lady Stanton u nglücklich, „doch es langweilte deinen Vater, über Geld zu sprechen, und wir hatten ja immer genug zu essen und konnten die Dienstboten pünktlich entlohnen.“ „Nur, weil er seit Jahren das Kapital angriff“, sag te Nicky heftig. „Und jetzt ist nichts mehr da, Mama. Verstehst du? Nichts.“ Eine Zeitlang war die Familie zu betroffen, um zu begreifen, welche Folgen das haben konnte. Sie lebten in einem schönen, großen Landhaus in Glo ucestershire, das seit drei Jahrhunderten im Besitz der Familie Stanton war. Es stand hoch auf einem Hügel, und der Park fiel sanft in das Tal ab, in das sich ein kleiner Weiler mit einer normannischen Kirche duckte. Trotzdem fühlten die Stanton-Töchter sich nicht von der Welt abgeschieden. Sie hatten ihre Reitpferde und verstanden sich so gut, daß sie die Gesellschaft von Nachbarn und Freunden nicht vermissten, die so weit entfernt wohnten, daß sie nur äußerst selten zu Besuch kamen.
Es war Nicky, der sich, als er heranwuchs, über ein en Mangel an Unterhaltung beklagte und deshalb von Oxford begeistert war. Trotzdem arbeitete er hart, denn er war schon von Kind an für den diplomatischen Dienst bestimmt. Nach dem Tod seines Vaters mußte er sich mit der Tatsache abfinden, daß er sein Studium in Oxford nicht fortsetzen konnte und daher auch nicht die nötige Qualifikation für den von ihm erwählten Beruf haben würde. „Was kannst du denn sonst anfangen, wenn du nicht Diplomat wirst?“ fragte Larisa. „Den Farmarbeiter spielen, falls wir es uns leisten können, das Land zu behalten“, antwortete er bitter. „Ich bezweifle, daß jemand es kaufen würde“, warf L ady Stanton ein. „Es ist zu abgelegen. Außerdem haben hier immer Stantons gelebt.“ „Dann bin ich der erste Baronet, der es nicht tun wird“, entgegnete Nicky. Da mischte sich Larisa ein. „Wir werden etwas tun müssen - wir alle -“, sagte sie entschieden, „damit Nicky sein Studium in Oxford abschließen kann.“ Die Mutter sah sie ungläubig an. „Was können wir denn tun?“ fragte Athene. Sie war siebzehn und ein Jahr jünger als Larisa. „Darüber müssen wir eben nachdenken“, antwortete Larisa. Sie hatten tagelang überlegt und leidenschaftlich a rgumentiert, bevor sie endlich einen Plan faßten, dem alle zustimmten. Lady Stanto n, Athene und Delos, die erst fünfzehn war, sollten in ein kleineres Haus umziehen, das zu ihrem Besitz gehörte. Das große Haus sollte abgeschlossen, die Dienerschaft, bis auf das alte Kindermädchen, entlassen, das Land an Farmer verpachtet werden. Die neunzehnjährige Cynthus war mit dem Sohn eines ortsansässigen Landedelmannes verlobt und wollte bald heiraten. Da ihr Verlobter nur einen kleinen Monatswechsel von seine m Vater bekam, konnte sie ihre Familie auch in Zukunft nicht finanziell unterstütz en, wollte aber auf ihre Mitgift verzichten. Während die Diskussionen noch hohe Wellen schlugen, überraschte Athene alle damit, daß sie eines Morgens allein fortging und mit der Neuigkeit zurückkam, sie habe eine Stellung gefunden. „Das ist doch unglaublich!“ rief Cynthus, und Lady Stanton fragte nervös: „Was ist das für eine Stellung, Athene?“ „Die alte Mrs. Braybrooke hat mich als Gesellschafterin und Sekretärin engagiert.“ Lady Stanton war entrüstet, weil Athene gehandelt hatte, ohne sie zu fragen, doch die Tochter erwiderte ungerührt, sie habe gewußt, daß die Mutter es ihr verbieten würde, weil Mrs. Braybrooke in ihren Augen neureich und nicht standesgemäß sei. „Wieviel zahlt sie dir?“ erkundigte sich die praktische Larisa. „Höre und staune! Einhundert Pfund im Jahr, und ich brauche nur drei oder vier Stunden täglich zu arbeiten.“ „Das ist zu viel, das kannst du nicht annehmen“, sagte Lady Stanton rasch. „Ich habe angenommen, Mama“, antwortete Athene. „Un d da ich selbst keinen Pfennig von diesem Geld brauche, kann Nicky alles haben.“ „Das ist sehr lieb von dir, Athene“, sagte Nicky, „ und es beruhigt mich sehr, daß du weiterhin bei Mama wohnen kannst.“ Er sah die Mutter bedeutungsvoll an, und sie verstand, was er ihr sagen wollte. Athene war das ungestümste, impulsivste Mitglied der Famil ie, und Lady Stanton hatte ihrem Sohn bereits anvertraut, daß sie sich sehr um ihre zweitjüngste Tochter sorgen würde, falls sie einmal von zu Hause fortginge. Mit dem blonden Haar und den übermütigen blauen Aug en war sie so bildhübsch, daß jede Mutter sich um ihre Zukunft gesorgt hätte. Natürlich sorgte sie sich um alle ihre Töchter. Sie hatte immer gehofft, sie würden eine ebenso vergnügliche und unbeschwerte Jugend ve rleben wie sie. Doch schon als
Cynthus, die älteste heranwuchs, wurde ihr klar, da ß für Amüsements und modischen Firlefanz kein Geld vorhanden war, obwohl sie den E rnst der Situation damals noch keineswegs ahnte. Da Cynthus heiraten und Athene eine Stellung antreten würde, wartete Larisa jetzt mit ängstlicher Spannung darauf, daß die Mutter ihnen d en Inhalt des Briefes mitteilte, der eben aus London eingetroffen war. Larisa hatte sich an ihre Taufpatin, Lady Luddington gewandt und sie gebeten, ihr eine Stellung als Erzieherin zu verschaffen. Als Lady Stanton sich an ihren Schreibtisch setzte, um den Brief in der eleganten Handschrift zu lesen, hoffte sie beinahe wider alle Vernunft, ihre alte F reundin würde Larisa zu einem kurzen Besuch nach London einladen. Larisa hoffte nichts dergleichen. Sie war Lady Luddington einmal begegnet, als sie fü nfzehn war, und ihr war sofort klar gewesen, daß diese weltgewandte, elegante Frau mit ihrer künstlich erhaltenen Schönheit sich mit den gesellschaftlich unbedeutenden, aber bildschönen Stantons nicht belasten würde. Larisa war die klügste von Sir Beaugraves Töchtern. Sie waren alle sehr intelligent, und der Vater hatte ihnen eine, wenn auch ein wenig einseitige, so doch sehr gute Erziehung zuteilwerde n lassen, und sie waren daher viel belesener und gebildeter als andere Mädchen ihres A lters und ihrer gesellschaftlichen Stellung. Griechisch in Wort und Schrift, Französisch, Geschichte und Geographie hatte ihnen der Vater gründlich beigebracht, die einzigen Wissenslücken hatten sie in der Mathematik, die ihn langweilte. „Ich werde mir ein einfaches Arithmetik Buch kaufen müssen, Mama“, sagte Larisa unsicher lächelnd. „Als Erzieherin kann ich meinen Schülern kaum beibringen, mit den Fingern zu rechnen, wie ich es im Augenblick noch tue.“ „Du wirst das Zeug bald kapiert haben“, erklärte At hene fröhlich, wurde von der Mutter jedoch sofort wegen ihrer vulgären Ausdrucksweise gerügt. „Auch wenn wir arm sind, können wir uns wie kultivi erte Menschen benehmen“, stellte Lady Stanton würdevoll fest. „Ich beneide dich nicht gerade um deine Stellung als Gouvernante“, sagte Athene zu Larisa, als die beiden Schwestern allein waren. „Es ist eine gräßliche Stellung. Für den Salon bist du nicht gut genug, für das Dienerzimmer zu gut.“ „Was sollte ich denn sonst tun?“ fragte Larisa. „Das Wichtigste ist doch, daß ich keine Ausgaben haben werde und jeden Pfennig Nicky geben kann.“ Dagegen gab es keinen Einwand. Larisa wußte jedoch, daß es für sie gar nicht so le icht sein würde, eine Stellung zu finden. Erstens war sie zu jung, und zweitens war s ie zu schön. Welche Dame der Gesellschaft holte sich freiwillig eine solche Gefahr ins Haus? Doch heute, nach zehn langen Tagen, war endlich das Antwortschreiben von Lady Luddington eingetroffen, das Lady Stanton jetzt mit einem Seufzer in den Schoß sinken ließ. „Was schreibt sie, Mama?“ fragte Athene eifrig, bevor Larisa etwas sagen konnte. „Hat sie einen guten Vorschlag?“ „Ich weiß nicht, was ich davon halten soll“, sagte Lady Stanton zweifelnd. „Laß hören, was sie schreibt“, bat auch Larisa. Lady Stanton nahm den Brief wieder zur Hand und begann zu lesen: „Meine liebe Margaret, Dein Brief war eine große Üb erraschung für mich, da ich gestehen muß, daß ich die Todesanzeige Deines Mannes in der Morning Post übersehen habe. Ich kann daher nur noch verspätet mein Beileid ausdrücken. Ich weiß, wie sehr Ihr Euch geliebt habt und wie sehr er Dir fehlen wird. Mit um so größerem Bedauern habe ich daher zur Kenn tnis genommen, daß meine Patentochter Larisa sich wegen Eurer finanziellen S chwierigkeiten um eine Stellung umtun muß. Du fragst mich, ob ich sie einer mir bek annten, gut beleumdeten Familie
trotz ihrer Jugend als Gouvernante empfehlen könnte . Ich habe mir lange den Kopf zerbrochen, ob unter meinen Bekannten jemand ist, der eine Erzieherin für seine Kinder sucht. Unglücklicherweise kenne ich in England niem and, der ein achtzehnjähriges Mädchen engagieren würde. Man zieht für eine solche Position Damen gesetzteren Alters vor. Zufällig jedoch besuchte mich kürzlich meine liebe und hochgeschätzte Freundin, die Comtesse de Chalon. Sie erwähnte beiläufig, ihr Bruder, der Comte de Valmont, suche für seinen Enkel eine englische Gouvernante. Das bedeutet, daß Larisa in Frankreich, in Valmont- sur-Seine leben müßte. Da mir Eure Familie am Herzen liegt, meine liebe Margaret, habe ich mich sofort erkundigt, ob Larisa im Haus des Comte ausreichenden weiblichen S chutz genießen würde - bei einer gewöhnlichen Gouvernante stellt dieses Problem sich natürlich nicht -, und die Comtesse versicherte mir, daß die verwitwete Schwester des Comte, eine Madame Savigny, bei ihm auf dem Schloß lebe. Außerdem führe die ganze Familie ein sehr zurückgezogenes Leben auf dem Lande. Das ist es, was Du Dir für Larisa wünschen würdest, davon bin ich überzeugt, da die Verlockungen und Extravaganzen von Paris, das man jetzt ,die verderbteste Stadt der Welt nennt’, für ein junges Mädchen höchst umpassend wären. Überdies erfuhr ich von Comtesse, daß der Comte de Valmont schon mehr als sechzig Jahre zählt und, obwohl ein noch immer gutaussehend er Mann, seit jeher für seine Strenge und sein Verantwortungsbewußtsein gegen seine Angestellten bekannt ist. Ich glaube, meine liebe Freundin, daß Du Larisa ohne Sorge in eine solche Umgebung entlassen kannst, und auf meine Empfehlung hat die Comtesse ihrem Bruder geschrieben und nachdrücklich betont, daß Deine Tochter hervorr agend geeignet sei, sich mit der Erziehung seines geliebten Enkels zu befassen. Hoffentlich ist Larisa sich im klaren, daß es für e in so junges Mädchen eine hohe Auszeichnung ist, eine solche Stellung zu bekommen, und daß sie sich benehmen wird, wie es sich für eine Stanton und für eine vollendete englische Lady geziemt. Ich denke und ich bete in diesen traurigen Zeiten für Dich, meine liebe Margaret, und verbleibe mit großer Zuneigung Helen“ Schweigen senkte sich herab, nachdem Lady Stanton zu Ende gelesen hatte, und dann rief Athene impulsiv: „Frankreich! Du gehst nach Frankreich! Du meine Güte, hast du ein Glück. Ich wünschte, ich wäre an deiner Stelle.“ „Ich bin gar nicht sicher, ob ich einen solchen Vor schlag akzeptieren werde“, sagte Lady Stanton mit besorgter Miene. „Aber warum denn nicht, Mama?“ rief Cynthus. „Es ist so weit weg“, erwiderte Lady Stanton unsicher. „Und Helen Luddington kann sagen, was sie will, aber Valmont-sur-Seine liegt ganz in der Nähe von Paris.“ „Larisa wird bestimmt kein Geld haben, um sich in d ieser sündhaften Stadt amüsieren zu können“, warf Nicky ein. „Aber ich muß sagen, ich beneide sie.“ „Dazu“, meldete sich zum ersten Mal Larisa zu Wort, „ist kaum ein Anlaß gegeben. Erstens werde ich sehr zurückgezogen auf dem Lande leben, und zweitens müssen wir ja noch abwarten, ob der Comte mich überhaupt engagiert.“ „Ja, natürlich“, pflichtete Lady Stanton ihr eifrig bei. „Vielleicht schickt er eine Absage oder antwortet gar nicht auf den Brief der Comtesse.“ Die Aussicht schien sie beinahe zu freuen. Larisa jedoch wußte, daß sie sich, wenn der Comte s ie nicht engagierte, an ein Stellenvermittlungsbüro für arbeitslose Gouvernanten wenden mußte. Ihr war ein bißchen wehmütig zumute, wenn sie daran dachte, wie jetzt, so bald nach dem Tod des Vaters, die Familie auseinanderfiel. Daß es eines Tages soweit kommen mußte, war ihr unv ermeidlich erschienen, als Cynthus sich verlobte, und sie hatte gedacht, daß e inmal auch sie Liebe schenken und
Liebe empfangen würde. Dann, aber nur dann wäre sie bereit gewesen, ihre Familie zu verlassen und in eine Welt hinauszutreten, von der sie so wenig wußte. Doch trotz ihrer romantischen Träume von einer groß en Liebe war Larisa das praktischste von allen vier Stanton-Mädchen. Auf jeden Fall hatte sie viel mehr gesunden Menschenverstand als ihre reizende, hilflose Mutter, die von ihrem Mann völlig abhängig gewesen war. „Wie, Larisa“, fragte sie verzweifelt, „soll ich es je fertigbringen, ohne Köchin und ohne Dienerschaft in einem winzigen Häuschen zu leben?“ „Du hast Nana“, antwortete Larisa, „und Delos kocht sehr gern. Außerdem ißt du ja wie ein Spatz, Mama, und ihr müßt nicht so große Ma hlzeiten zubereiten wie zu Papas Lebzeiten.“ „Ich kann mir gar nicht vorstellen, von hier fortzugehen, hier bin ich zu Hause“, rief Lady Stanton und blickte sich in dem Salon mit der hohen Decke, dem schönen georgianischen Kranzgesims und den eleganten Türen um, die auf die Terrasse führten. „Ich weiß, Mama“, sagte Larisa mitfühlend, „aber ei nes Tages hättest du Nickys junger Frau weichen müssen, und das Witwenhaus, das wir zum Glück ja vermieten konnten, wäre für dich und die beiden Mädchen viel zu groß gewesen.“ „Ich liebe große Häuser“, erklärte Lady Stanton schmollend und setzte hastig hinzu: „Aber ich muß versuchen, das Häuschen hübsch herzur ichten. Wir können nichts Häßliches um uns ertragen, nicht wahr?“ „Natürlich nicht“, antwortete Larisa. „Papa hat uns gelehrt, alles Schöne zu lieben. Weißt du noch, wie er sich immer über Möbelschoner, Rüschen und Falbeln lustig machte?“ Lady Stanton lachte mit Tränen in den Augen. Sir Be augrave hatte sie gelehrt, die unvergleichliche Schönheit der einfachen Linien der griechischen Antike zu schätzen, und im Vergleich zu den überladenen, der viktorianische n Mode entsprechenden Häusern ihrer Freunde, wirkte Redmarley House in seiner georgianischen Einfachheit fast kahl. Aber die Mädchen wußten, daß es makellos und von ze itlos gutem Geschmack war. Nur Dummköpfe liebten Firlefanz. Der Brief des Comte de Valmont traf vier Tage später ein. In der Zwischenzeit war Lady Stanton von so vielen Zweifeln und Ängsten gepeinigt worden, daß Larisa allmählich zu der Überzeugung ka m, sie könne eine Stellung nicht annehmen, die ihrer Mutter so großes Herzweh verursachte. Das Schreiben des Comte war jedoch in gewisser Weise beruhigend. Kurz und förmlich bestätigte er, er habe von seiner Schwester, der Comtesse de Chalon, erfahren, daß Miss Larisa Stanton sich erboten habe, seinen achtjährigen Enkel Jean-Pierre in der englischen Sprache und anderen e lementaren Lehrfächern zu unterrichten. Er wäre Miss Stanton daher sehr verbu nden, wenn sie sich so bald wie möglich auf die Reise nach Frankreich begeben wollte. Er biete ihr ein Gehalt von dreitausendsiebenhundertfünfzig Frances jährlich und lege diesem Brief eine Fahrkarte zweiter Klasse London-Paris bei. Lady Stanton, fügte der Comte hinzu, möge ihm Tag u nd Stunde der Ankunft ihrer Tochter mitteilen, damit er sie vom Gare du Nord in Paris abholen lassen könne. Es war ein kalter, geschäftsmäßiger Brief, doch er berührte Lady Stanton viel angenehmer als ein überschwenglicher es getan hätte. „Zweiter Klasse!“ rief Athene. „Nun, jetzt weißt du wenigstens, welcher Platz dir als Gouvernante in Zukunft gebührt.“ „Ich habe nicht erwartet, daß der Comte mir eine Fa hrkarte erster Klasse bezahlen wird“, sagte Larisa. „Papa“, erwiderte Athene, „hat immer gesagt, daß Ge ntlemen erster Klasse, Geschäftsleute zweiter Klasse und Bauern dritter Klasse reisen.“ „Larisa wird in einem Damenabteil reisen“, sagte La dy Stanton. „Die gibt es in Frankreich bestimmt genauso wie bei uns, und sie wird sich weder mit einem Geschäfts-
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