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1 Glotta
Zeitschrift
undfür griechische lateinische Sprache
Herausgegeben von
Paul Kretschmer und Wilhelm Kroll
VIII. Band
6öttiii9en
Vandenboech und Rupred^t
19173
1^
Mr
Univ.-Buchdrnckerei von A. Hnth, Göttingen.E.Inhalt.
Seite
Rödiger, ßovXoum und ithf'lw 1R.
diesEduard Fraenkel, Das Geschlecht von 24
P. Kretschmer, Die Ursache des Geschlechtswechsels von dies ... 68
Etymologie (Fortsetzung).Herbert Petersson, Beiträge zur lateinischen
2. pänus. 3. cumerus 70
F. Hartmann, *PrTm5ris 77
P. Kretschmer, TJmbrisch 79mefa spefa
J. Bruch, Lat. hlatea, halatro und genues. hrata 83
W. Zur lateinischen Wortkunde. 1. promittere 'versprechen'.Reeb,
2. TccTTTj^ im Lateinischen. 3. peccare 85
J. Compernass, Vulgaria. 1. quia 'fürwahr, sicher, gewiß'. 2. gremium
= tftbunal. Hinsicht, in Übereinstimmung,3. adversus 'in
gemäß'. 4. Obliquus futuri. 5. repenfe 'sogleich'. 6. pri-
= succedere 'einkehren';mitus prius 'früher, eher'. 7.
SMccessio duhitare 'fürehteri; dubitatio"F\iTcht\'Einkehr'. 8.
9. derogare 'verleumden, verhöhnen'; derogatio 'Verleum-
dung'; 10. vespere (neutr.) 'Abend'.derogator "Verleumder'.
11. virtus "Streitmacht'. 12. lihenter habere 'nach Wunsch
14. potior 'größer,sein, gern haben'. 13. potiri 'genießen*.
schlimmer'. potius= magis. 16. ordo 'Art u. Weise'.15.
17. bin im stände, kannpatior 'bringe es über das Herz,
similitudo 'Bildnis, Figur'. 19.mich überwinden . 18.
parcere alictci'Ursache, Anregung, Gelegenheit'. 20.fomes
appendere, pensare 'wiegen, schwer'gestatten'. 21.c. inf.
Medium.consulere 'fragen . 23. Reflexivum stattsein'. 22.
25. excellens 'emporragend,mutare 'sich bewegen'.24. se
'freigeben, gestatten'. 27. exaggerarehoch'. 26. laxare
indutiae 'Unter-erbittern'. 28. mdli secundns. 29."reizen,
Erholung, Pause, nachsichtige Ge-brechung, Aufschub,
plus quam beim Elativus. 31. Partizipiumwährung'. 30.
Adverbielles qui. 33. rhiFuturi Act. statt Passivi. 32.
= 34. Habere mit Infinitiv beim ModusRelativpronomen.
Konjunktivsirrealis. 35. Habere statt des deliberativen 88
Herakles 121P. Kretschmer, Mythische Namen. 5.
130in HexameternFr. Vollmer, lambenkürzung
Inschriften von Capena .... 137P. Zwei altlateinischeInhaltIV
Seite
G. Sigwart, Zur etruskischen Sprache. 1. pute, ptäeus, und tul(ar),
tiiUin3. 2. Etruskisches und Sumerisches. 3. ftere, ein
etruskisches Appellativum. 4. Zur Agramer Mumienbinde 139
0. Lautensach, Grammatische Studien zu den attischen Tragikern und
Komikern (Fortsetzung) 168
Wolter storff, Artikelbedeutung von illeG. bei Apuleius 197
M. Niedermann, Nachträge und Berichtigungen zum Thesaurus linguae
Latinae 226
Max Leopold Wagner, Das Fortleben einiger lateinischer, bzw. vulgär-
lateinischer Pferdefarbennamen im Komanischen, insbeson-
dere im Sardischen und Korsischen 233
Josef Bruch, Lat. „Huflattich"farfarus 238
Fitzhugh, The Latin Accent 241 Latin Ehythm 243 Latin Metrie 247
Literaturbericht für das Jahr 1914
Paul Kretschmer, Griechisch 249
Felix Hartmann und Wilhelm Kroll, Italische Sprachen und
lateinische Grammatik 271
Kegister. Von A. Nehring 327Eichard Ködiger, ßoiXofiai und ^*^>lw
ßovXouai t&(2,iü,und
eine semasiologische Untersuchung
Es besteht ein alter Zwiespalt der Meinungen über die unter-
schiedliche Bedeutung von ßovloi.iai und td-eXw, und diese Un-
sicherheit dauert an bis in die neueste Zeit unter Philologen und
Sprachforschern.
So schien es mir lohnend, den Gegenstand durch die grie-
chische Literatur hindurch zu verfolgen, und die rein philologi-
sche Frage nach dem Bedeutungsunterschiede der beiden Worte
löste sich dabei in eine Reihe von mehr historischen Fragen auf.
willIch untersuchen, welches die in den frühesten Sprachdenk-
mälern nachweisbaren Bedeutungen der beiden Wortstämme sind,
welche Schattierungen des Wollens sich auf diesem Grunde ent-
wickeln und wie sie sich auf die einzelnen Schriftsteller, Literatur-
undarten Perioden, nebeneinander oder im Kampfe miteinander,
verteilen.
Definitionen
Der Zwiespalt in den Erklärungen der Lexikographen und
Herausgeber der Schriftsteller über die Grundbedeutungen von
ßoiKof-tai und ed^flo) ist ein vollständiger.
Die einen (A) behaupten
, IdiXeiv bezeichne den Entschluß
des Geistes, ßovleoi^ai den Wunsch des Herzens; die anderen (B)
umgekehrt, ßovXead^ai bezeichne das Wollen aus Vorsatz = ent-
schlossen sein, bd-tXEiv das Wollen Neigung = geneigt sein^).aus
Zu A stehen z. B. Passow Handwörterbuch, Benseler-Kaegi,
Schmidt Synonymik 3, 602 ff., Buttmann Lexilogus, Franke, Stall-
baum Plat. Pol. IV 437 B. C (s. unten). Dagegen zu B: Pape
Handwörterbuch, EUendt-Genthe BreitenbachLex. Soph. , Xen.
Kyr. VIII, 7, 26 usw. Am treffendsten zu der Frage sind nach
meiner Meinung die Ausführungen von Ilehdantz-Blaß im grammat.
Index zu Dem. Philipp. Reden 4A 18H6. Dort heißt es zu Ol.
2, 202): ,Geneigtheit der Götter, Entschluß der Athener ist die
Voraussetzung des (aktive) Ent-Erfolges. Dies nämlich, die
schließung nach Wahl, ist bei ßocXo/uai, wo es unterschieden wird,
hervortretend'.
So nach Vollbrecht Xen. An. I, 8 und Westerniann Dem. Lept. 111.1) 3,
,3ox(t J' '.4.,2) ffioiyf, w üvd'Qfs ätl^tiv ovx iif f4«xouv , ttv oX je f^foi
&^).ü)ai xai iutig ßovljjai}f\
GlotU Vin, 1.
]Richard Rödiger2
Bei Plato wird die Bedeutung von ßovlo/xai an 3 Stellen be-
handelt, an der letzten neben td^eXio: Krat. 420 C, wo es mit1)
ßdlXu) verknüpft wird. Hör. 413 C ßovktjoig /.letd2) tcpeoig
Xoyov OQ&ov' evloyog' cge^igoqeBis ntstd Xoyov /.ard cpvoiv.
IV 437 B. ovvPol. C. Aq . . y.ai av zö ii^ilsiv y.al xo ßov-3)
Xead^aL ov navia xd xoiavra tojv havxiwv dXXt]loig ^et'qg . .;
OLOv del xijv xov 87tid^vf.ioivxog ov/l rjxoi eq^isad^ai q^r]OELgil'vxrv
€y,€ivov ov av e/tid^v/uj], ij TtQoodyeo&ai xovxo o av ßovXtjxai 6i
yeveod^ai r^ av 'Kai)-^ ooov ed-eXei xi ol ungiod^rjvai, sniveveiv
TtQog avxTjV wonsQxovxo xivog Igtoccüviog enoQeyof.ievrjv avzov xrjg
yevioeiog; k'yojys. Wenn dazu Stallbaum bemerkt: „Ceterum quod
ed^iXeiv et ßovXeoi^ai repetito articulo discrimendiscernuntur,
utriusque verbi hoc esse constat, ut hoc voluntatem ab animi studio
inclinationeet proficiscentem , illud delibcratione et
consilio nitentem significet", so ist das ungefähr das Gegenteil
von dem, was ich für richtig halte, und, wie ich meine, auch von
dem, was bei Plato steht. Denn eniveveiv wottsq xivog sqcdxcüv-
xog scheint mir deutlich ein passives Geneigtsein, auf ein Angebot
einzugehen (= kd^eXeiv), nicht aber ein aktives Vorgehen auf
Grund von Überlegung und Beschluß zu schildern.
Interessant ist und wohl wert hier mit in Betracht gezogen
—zu werden von befreundeter Seite hin ich darauf aufmerksam
gemacht worden — wie der Verfasser von ,L)ie Welt als Wille
und Vorstellung' durchaus geschickt und mit Verständnis die
griechischen Wörter des Wollens in eingepaßt hat.sein System
Es heißt da Neue Paralip. 149 (Schopenhauers handschr. Nach-§
Bd. IV Reklam):laß „Das Primäre und Ursprüngliche ist allein
Wille,der das d^eXrjf.ia^), nicht ßovXrjoig^): die Verwechslung
dieser beiden, für welche nur Ein vorhanden, istdeutsches Wort
Quelle des Mißverstehens meiner Lehre. i^eXr^f^a ist der eigent-
liche Wille, der Wille überhaupt, wie er in Tier und Mensch er-
kannt wird: ßovXri aber ist der überlegte Wille, consilium, der
Wille nach erfolgter Wahlbestimmung: keineden Tieren legt man
ßovXtj, wohl aber i)^eXrjf.ta bei: weil in den neueren Sprachen nur
Ein Wort für beide ist, so sind die Philosophen uneins, ob sie
den Tieren Willen beilegen sollen, oder zugestehen,nicht: die es
denken d-sXrji.ia, die es leugnen ßovXrj'^.
»^i.r]uc( einmal1) beim Sophisten Antiphon, oft im Nov. Test.
Bei Eurip., Thuk., Plat., 94 Beispiele.2) Aristot., Isai., Dem., zusammen