6GRUNDZÜGElDERGRIECHISCHEN ETYMOLOGIEVONGEORG CÜRTIUSDRITTE AUFLAGEJILEIPZIGDRUCK UND VERLAG B. 6. TEUBNERVON1869^Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen ist vorbehalten.PA4-2JVorrede.Sprachwissenschaft fürDen sichern Gewinn der vergleichendenWortforschung, von luftigen Vermuthungen oder geradezugriechischeVersuchen gesondert, zu ermitteln, schien mir aus ver-verfehltenGründen unternehmenswerth. Dieschiedenenmehr zu unablässigem Forschen rei-hat kein anziehenderes undunübertroffene, uralter Grundlage reichzendes Object als die aufund eigenthümlich entwickelte Sprache der Hellenen, sie bedarfum dabei nicht irre zu gehn des immer erneuten Austauschesaberaus dem Alterthum überlieferten , in unserm Jahrhundertmit jenervertrauten Kenntniss der griechischen Spracheso treu gepflegtenwir vorzugsweise philologisch zu nennenund Sprachdenkmale, welchederpflegen. Umgekehrt stellt die classische Philologie bei Aus-dehnung, die sie gewonnen hat, tausend Fragen nach Herkunft undursprünglicher Bedeutung griechischer Wörter und damit nach derGeschichte der durch sie bezeichneten Vorstellungen und Begriffe,nur von der über ihren Kreis hinausgehenden Sprachwissen-welchebeantwortet werden können. regeres Leben heut zu Tageschaft Jeandrerseitsinnerhalb der letzteren Wissenschaft herrscht, je mehrdie classische Philologie auf die Aufschlüsse von dieser Seite achtet,desto lohnender ist es gerade auf diesem Felde beide Richtungenin fruchtbaren ...
6
GRUNDZÜGE
l
DER
GRIECHISCHEN ETYMOLOGIE
VON
GEORG CÜRTIUS
DRITTE AUFLAGE
J
I
LEIPZIG
DRUCK UND VERLAG B. 6. TEUBNERVON
1869^
Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen ist vorbehalten.
PA
4-2JVorrede.
Sprachwissenschaft fürDen sichern Gewinn der vergleichenden
Wortforschung, von luftigen Vermuthungen oder geradezugriechische
Versuchen gesondert, zu ermitteln, schien mir aus ver-verfehlten
Gründen unternehmenswerth. Dieschiedenen
mehr zu unablässigem Forschen rei-hat kein anziehenderes und
unübertroffene, uralter Grundlage reichzendes Object als die auf
und eigenthümlich entwickelte Sprache der Hellenen, sie bedarf
um dabei nicht irre zu gehn des immer erneuten Austauschesaber
aus dem Alterthum überlieferten , in unserm Jahrhundertmit jener
vertrauten Kenntniss der griechischen Spracheso treu gepflegten
wir vorzugsweise philologisch zu nennenund Sprachdenkmale, welche
derpflegen. Umgekehrt stellt die classische Philologie bei Aus-
dehnung, die sie gewonnen hat, tausend Fragen nach Herkunft und
ursprünglicher Bedeutung griechischer Wörter und damit nach der
Geschichte der durch sie bezeichneten Vorstellungen und Begriffe,
nur von der über ihren Kreis hinausgehenden Sprachwissen-welche
beantwortet werden können. regeres Leben heut zu Tageschaft Je
andrerseitsinnerhalb der letzteren Wissenschaft herrscht, je mehr
die classische Philologie auf die Aufschlüsse von dieser Seite achtet,
desto lohnender ist es gerade auf diesem Felde beide Richtungen
in fruchtbaren Austausch mit einander zu bringen.
Das ist freilich ein schwieriges Unternehmen. Die vergleichen-
Sprachforscher hat man nicht ohne Weltumsegier genannt,den Spott
Beiwort, das sie sich gefallen könnten, es nichtein lassen wenn
ungeziemend wäre, das im Vergleich zu der Masse menschlicher
Sprachen überhaupt winzige Gebiet der indogermanischen Sprachen,
um das es sich hier handelt, eine Welt zu nennen. Aber niemand
wird die Forschung auf die viel befahrenen Küstengewässer zu be-
schränken vermögen, und an Gefahren fehlt dort wahrlich auches
nicht. An den Klippen und Untiefen zunächst dem Lande scheitern
die meisten Fahrzeuge, auf hoher See hat die Nautik sich über-
haupt erst zu einer höheren Stufe erhoben.
kühnerJe aber die Fahrt ist, desto mehr sie leitenderbedarf
Gesichtspunkte. Deshalb schien es mir bei meinem Versuche vor
allem nöthig, die Grundsätze und die Methode der vergleichenden
Etymologie in ihrer Anwendung auf das einer prüfendenGriechische
Erörterung zu unterziehen. Doch war meine Absicht nicht etwas— VI —
erschöpfendes, systematisch abgeschlossenes zu liefern, sondern, dem
gegenwärtigen Standpunkte dieser Studien entsprechend, eine Reihe
wichtiger principieller Fragen zu besprechen, um dadurch für die
darauf folgende Behandlung des einzelnen eine feste Richtschnur
zu gewinnen. Diesen Zwecken dient das erste Buch dieses Werks.
Demnächst betrachtete ich es als meine Aufgabe, diejenigen
griechischen Wörter und Wortfamilien, für welche sich in den ver-
wandten Sprachen mit Sicherheit angehörige ermitteln Hessen, sammt
diesen übersichtlich aufzuführen. Bei der Vergleichung glaube ich
eher zu behutsam als zu kühn verfahren zu sein. Den Grundsatz
festhaltend, dass es besser sei möglicherweise unverwandtes getrennt
zu lassen als vorschnell zu verbinden, und dass eine beschränkte
Anzahl sicherer Zusammenstellungen viel mehr Werth habe, als
eine Fülle ungewisser Vermuthungen , habe ich in jedem einzelnen
Falle wiederholte Prüfung nicht gescheut. Der Stoff sonderte sich
aber von selbst in zwei Theile. Insofern der einzige.zuverlässige
Ausgangspunkt der von den Lauten war, ergab sich der Unterschied
zwischen der regelmässigen oder constanten und der unregelmässigen
oder sporadischen Lautvertretung. Das zweite Buch handelt daher
von der regelmässigen Es hat die Form eines nach
Verzeichnisses.den Lauten geordneten
Bei der Behandlung der einzelnen Wortfamilien war meine
Absicht den factischen Bestand möglichst deutlich, doch ohne un-
nöthige Weitschweifigkeit darzulegen. Ich habe daher immer, nur
die wichtigsten Glieder aufgeführt, dabei aber selbst den grie-
chischen Wörtern die Bedeutungen hinzuzufügen nicht unterlassen
mögen. Bei seltnen Wörtern erspare ich manchem Leser dadurch
das Nachschlagen, bei geläufigeren konnte ich durch die hinzuge-
fügten deutschen Wörter auf die hervorstechende Bedeutung und
damit zugleich auf merkwürdige Uebereinstimmungen und Ver-
schiedenheiten in den andern Sprachen oft kürzer und bündiger
hinweisen als auf anderm Wege, bei den übrigen forderte die Con-
sequenz denselben Gebrauch einzuhalten. Mir scheint bei diesen
Untersuchungen ein möglicherweise überflüssiger Fingerzeig weniger
vom Uebel zu sein, als jenes doctum silentium, aus dem viel Miss-
verständniss entspringt, zumal da dies Buch doch auch vielleicht
von solchen zur Hand genommen wird, die nicht in dem Grade wie
die Pfleger der classischen Philologie im Griechischen, dafür viel-
leicht desto mehr in andern Sprachen zu Hause sind.
Wörter, die innerhalb des GriechischenZur Auffindung der
mir das kleine, in zweiter Auflageselbst zusammen gehören, war
„Etymologische Wör-von I. Bekker (Berlin 1821) herausgegebene
unschein-terbuch" von Niz von erheblichem Nutzen. In diesem