32. Ich Schenke dir mein Herz - Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
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Description

Als Melita Cranleigh in Martinique ankommt um ein Leben als Erzieherin zu beginnen, fürchtet sie sich vor der Zukunft und davor wie ihr neuer Chef wohl sein mochte. Etienne, der Comte de Vesonne, ist jung und stilsicher. Ihr Alptraum wird schnell zum aufregenden Abenteuer, als sie wie Magneten voneinander angezogen werden. Aber die Trommeln schlagen einen primitiven Rhythmus und Melita findet ihr Glück von der Eifersucht von Madame Boisset, der Kusine des Comte, gefährdet, und von den Voodoo-Ritualen der Sklaven, die einen dunklen Schatten auf die Plantage werfen. Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein. Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.

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Informations

Publié par
Date de parution 14 février 2016
Nombre de lectures 0
EAN13 9781782138204
Langue Deutsch

Informations légales : prix de location à la page 0,0222€. Cette information est donnée uniquement à titre indicatif conformément à la législation en vigueur.

Extrait

ICH SCHENKE DIR MEIN HERZ
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2016
Copyright Cartland Promotions 1982
Gestaltung M-Y Books
www.m-ybooks.co.uk
1842
Das Schiff bewegte sich langsam in den Hafen hinein . Melita stand an Deck und betrachtete entzückt die Insel, die vor ihnen lag. Sie hatte zwar erwartet, daß Martinique ihr gefallen würde, aber nun stellte sie fest, daß die Wirklichkeit alle Vorstellungen in den Schatten stellte. Dies war der schönste Ort, den sie je gesehen hatte. Die Stadt St. Pierre lag zwischen einem halbmondförmigen Strand und einer Anhöhe, deren frisches Grün gegen das lebhafte Blau des Him mels abstach. Links davon ragte der Mont Pelée hoch, was soviel wie kahler Berg hieß. Das war ein unromantischer und nicht sehr passender Name, denn nur eine Stelle auf dem Gipfel war kahl, alles andere war lebendig und grün. Der Berg war bewachsen mit Mahagoni- und Gummibäumen, Bananenstauden, Mangobäumen und Kokospalmen. Auf dem langen Weg von England hierher hatten die O ffiziere an Bord sie mit Geschichten über die Schönheit Martiniques und die Geheimnisse der Regenwälder unterhalten. Nun, da sie in die Stadt St. Pierre einfuhr, seine weißen Häuser mit den roten Dächern betrachtete, und sich die hohen Zwillingstürme ansah, von denen sie annahm, daß sie zur Kathedrale gehörten, sagte ein Offizier, der neben ihr stand: „Es wird das Paris der Westindischen Inseln genannt.” „Es ist wunderschön.” „Und es ist sehr fröhlich”, sagte er lachend und ging weiter. Die Reise war manchmal sehr beängstigend verlaufen. Aber Melita würde die Freundlichkeit der Offiziere und der anderen Passagiere nicht vergessen. Zunächst war sie viel zu unglücklich gewesen, weil sie England verlassen mußte. Und aus Angst vor der Zukunft hatte sie jede Gesellscha ft gemieden. Hilflos hatte sie in ihrer Kabine gesessen, überwältigt von der Schnelligkeit, mit der sie die Ereignisse überrollt hatten. Dann aber war ihr klar geworden, daß sie den Dingen , die vor ihr lagen, entgegensehen mußte, daß es keinen Sinn hatte, ihnen aus dem Wege zu gehen. Sie war von nun an öfter an Deck gegangen und ließ sich den Dezemberwind ins Gesicht wehen, wobei sie fühlte, daß seine Rauheit sie mit neuer Kraft erfüllte. Auf dem Atlantik dann war sie von einer neuen Furcht erfüllt worden, als sie in einen Sturm geraten waren, der das Schiff gedroht hatte zum Kentern zu bringen. Sie und die anderen Passagiere hatten geglaubt, ihre letzte Stunde wäre gekommen. Aber die Seemannskunst der Besatzung hatte sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Und als sie dann in tropische Gewässer gekommen waren, hatten der Sonnenschein, die smaragdgrüne und blaue See und der strahlende Himme l die Erinnerung an die Schrecken beiseite gewischt. Was würde sie nun in Martinique erwarten? Wie würde n ihre unbekannten Dienstherren zu ihr sein? Allein das Wort Dienstherr ließ sie erschauern. Was bedeutete es, für andere Leute zu arbeiten und widerspruchslos ihren Befehlen Folge zu leisten? Einen Moment lang wollte es ihr scheinen, als wenn der Sonnenschein, der die Stadt einhüllte, sich verdunkelte, und sie wünschte, daß sie vor dem, was sie erwartete, fortlaufen könnte. Aber wo sollte sie hin? Es gab niemanden. Immer noch konnte sie es kaum glauben, daß sich ihr Leben seit der ersten Dezemberwoche so dramatisch hatte verändern können. Sie wußte es erst, seit ihre Stiefmutter ihr ihre Pläne mitgeteilt hatte. Sie sa h alles nochmals so deutlich vor sich, als wenn sie es erst jetzt erlebte. „Ich muß mit dir sprechen, Melita”, sagte die Stief mutter. Und Melita erfaßte instinktiv, daß dieser harte Ton in ihrer Stimme nichts Gutes verhieß.
Sie hatte es schon geahnt, als ihr Vater sich wiede r verheiratet hatte, daß ihr Leben von nun an nicht leicht werden würde. Denn zwischen ihr und der merkwürdigen Frau, die nun den Platz ihrer Mutter einnehmen sollte, hatte von Anbeginn Antipathie geherrscht. Die neue Lady Cranleigh hatte, als sie von ihrer Re ise angekommen war, Besitz von ihrem Haus am Eaton Place eingenommen. Melita hatte bei dieser Gelegenheit nicht umhingekonnt, sie mit ihrer zarten freundlichen Mutter zu vergleichen. „Dies also ist Melita!” sagte sie in einem geringschätzigen Ton. „Mein Liebes”, hatte ihr Vater eingeworfen, „hast du meinen Brief bekommen?” „Ja, danke, Papa. Du schriebst mir, daß du wieder g eheiratet hast. Ich wünsche dir viel Glück.” „Wir werden sicher sehr glücklich werden”, entgegnete ihr Vater etwas unbeholfen. Melita begriff, daß ihm das alles peinlich war und daß er nicht über die Heirat sprechen wollte. Da sie stets für seine Stimmungen empfänglich war, sagte sie: „In deinem Arbeitszimmer sind Getränke und Sandwiches serviert worden, Papa. In zwei Stunden gibt es Abendessen.” „Ich brauche ein Bad und jemand, der mein Gepäck auspackt”, mischte sich die neue Lady Cranleigh ein, die sich bereits übergangen fühlte. „Ein Hausmädchen erwartet Sie oben”, erklärte Melita. „Und der Diener trägt gerade die Truhen und Koffer hinauf.” „Es wäre wohl besser, wenn ich nachschaue.” „Dazu besteht wirklich kein Anlaß”, erklärte Melita. Aber sie bemerkte, daß das falsch gewesen war. Ihre Stiefmutter hatte nicht die Absicht, ihr, einem Kind von 17 Jahren, zu erlauben, irgend etwas für sie zu arrangieren. Und das machte sie in den nächsten Tagen mehr als deutlich. Als Melita mit ihrem Vater alleine war, drängte es sie, ihn zu fragen, warum er wieder geheiratet hatte und warum eine solche Frau, die so im Gegensatz stand zu ihrer verstorbenen Mutter. Aber diese Frage erübrigte sich. Denn nur allzu bald erfuhr sie, daß ihre Stiefmutter reich war und viele einflußreiche Verwandte hatte. Melita wußte, daß ihr Vater ehrgeizig war, aber tro tzdem war er es, der getrieben werden mußte. Ich werde das Beste daraus machen müs sen, dachte Melita bei sich und seufzte. Aber keiner von ihnen kam dazu, sich richtig auf die neue Situation einzustellen. Ein Jahr, nachdem er das zweite Mal geheiratet hatte, starb Sir Edward, ihr Vater. Und selbst nachdem Melita hinter dem Sarg zum Begräbnis gegangen war, konnte sie es noch immer nicht glauben. Sie war wie versteiner t. Als sie zum Haus zurückkehrten, erwartete sie, seine Stimme zu hören. Nun, da die neue Lady Cranleigh so kurz, nachdem sie eine Braut gewesen war, sich schon in tiefer Trauer wiederfand, wollte sie, wie sie sagte, der Zukunft mit Fassung entgegensehen. Sie hatte viele Freunde, die sie trösteten. Und die Tatsache, daß ihr die schwarze Trauerkleidung sehr gut stand, war bestimm t eine gewisse Entschädigung für den Verlust ihres Ehemannes. Melita schien es, als sei das Licht aus ihrem Leben gegangen. Als damals ihre Mutter gestorben war, hatte sie geglaubt, daß nichts mehr so sein würde wie früher. Aber nun, nach dem Tode ihres Vaters schien ihr mit einem Sch lag ihre ganze Lebensgrundlage fortgezogen worden zu sein. Sie und ihr Vater waren immer sehr vertraut gewesen. Und wo immer er im Rahmen seiner diplomatischen Laufbahn beschäftigt gewesen war, war sie bei ihm gewesen. Und soviel er auch zu tun gehabt hatte, er hatte immer Zeit für sie gefunden. Sie dachte an ihre glücklichen Zeiten in Wien und d aran, wie er ihr in Italien die Bauten und Kunstschätze erklärt hatte. Er hatte die Gabe, Geschichte lebendig werden zu lassen. Denn er war nicht nur ein erfolgreicher Dip lomat, sondern auch ein guter Lehrmeister. Nach seinem Tod blieben Melita nur seine Bücher in seinem Arbeitszimmer, sie wollte
sie lesen und sich vorstellen, daß er sie ihr erklärte, wie er es zu seinen Lebzeiten gemacht hatte. Sie fühlte sich viel zu unglücklich, um an den Teeg esellschaften teilzunehmen, die Lady Cranleigh trotz ihrer Trauer gab. Sie wurde au ch selten gebeten, daran teilzunehmen. Dann, an einem Dezembermorgen, der Himmel war grau, und selbst die hellen Kaminfeuer in den Zimmern am Eaton Place konnten die Kälte von draußen nicht ganz abhalten, vollzog Lady Cranleigh das, was Melita wie ein Donnerschlag treffen sollte. „Ich habe über deine Zukunft nachgedacht, Melita”, begann sie. Und ihre Augen ruhten mit einem Ausdruck der Feindseligkeit auf Melitas Gesicht. Das war angemessen. Melita war sich bewußt, daß sie in den letzten beiden Jahren sehr hübsch geworden war. Ihr Haar war wie das ihre r Mutter, so hell wie der Frühlingssonnenschein, und ihre Augen, die dunkelbl au waren, schienen ihr ganzes Gesicht auszufüllen, dessen Haut so zart war, daß es an Porzellan erinnerte. Sie hatte eine sehr gute Figur und bewegte sich mit der Grazie einer Ballerina. „Gott sei Dank, daß du so graziös bist”, hatte ihr Vater einmal gesagt. „Ich kann schwerfällige Frauen nicht ertragen.” Ihre Mutter, so erinnerte sie sich, schien in einen Raum herein zu schweben, und Melita hoffte, daß sie ihr in nichts nachstand. Ihre Stiefmutter hingegen war schwer gebaut und sch ien mit zunehmendem Alter immer schwerer zu werden. „Über meine Zukunft?” fragte Melita. „So ist es”, antwortete Lady Cranleigh. „Ich weiß n icht, ob du dir schon Gedanken darüber gemacht hast.” „Ich verstehe nicht recht.” Sie hatte geglaubt, da es keine andere Möglichkeit gab, daß sie bei ihrer Stiefmutter leben würde und daß sie in der beginnenden Saison in die Gesellschaft eingeführt werden würde, was im Jahr zuvor nicht möglich gewesen war, weil sie in Trauer war. Es war seit je her geplant gewesen, daß sie auf dem Debüttantenball im Buckingham-Palast der Königin vorgestellt werden würde, nach welchem sie dann zu den unzähligen Bällen und Veranstaltungen der Gesellschaft eingeladen worden wäre. „Ich bin der Meinung, das Beste wäre, wenn wir offen miteinander reden”, fuhr Lady Cranleigh fort. „Und ich beginne damit, indem ich dir sage, daß ich kein Interesse daran habe, in meinem Alter das Leben einer Witwe zu führen oder Anstandsdame eines jungen Mädchens zu spielen.” Melita sah sie mit großen Augen an. „Ich wüßte nicht, wer sonst für mich sorgen könnte” , erwiderte sie nach einem Moment. „Papa hatte nur wenige Verwandte, und Mamas Familie lebt in Northumberland.” „Ich glaube nicht, daß es dir gelingen wird, irgendeinen Verwandten dazu bewegen zu können, dich in die Gesellschaft einzuführen, da kein Geld da ist, um das zu finanzieren”, stellte Lady Cranleigh fest. „Kein Geld?” fragte Melita. „Ich habe mich um die Angelegenheiten deines Vaters gekümmert, und ich fand heraus, daß, wenn ich alles erledige und auch die H ypothekenschulden, die auf diesem Haus lasten, bezahlt habe, nichts mehr für dich übrig bleibt.” Melita legte die Hände zusammen. Sie hatte schon na ch dem Tod ihrer Mutter gewußt, daß das Haus am Eaton Place zu teuer für si e war. Sie hatte ihrem Vater vorgeschlagen, in ein kleineres Haus zu ziehen. Aber er wollte nicht auf sie hören. Und so ging alles weiter in der Hoffnung, daß sich eines Tages etwas zum Besseren wenden würde. Nun sah sie ein, daß ihr Vater keine wirklich berec htigte Hoffnung gehabt hatte, zu mehr Geld zu kommen, um die anwachsenden Schulden zu beg leichen, außer, wenn er eine reiche Frau heiratete.
Und in dem Jahr, das dieser Heirat gefolgt war, war es ihnen auch besser als je zuvor gegangen. Ihr Vater hatte Melita eine wertvolle Gar derobe gekauft und gute Pferde zum Reiten besorgt. Melita mußte nun erkennen, daß all dieser Luxus nicht mit dem Geld ihres Vaters, sondern mit dem ihrer Stiefmutter bezahlt worden war. Lady Cranleigh beobachtete sie. „Wie ich sehe, hast du verstanden”, sagte sie dann. „Als dein Vater noch lebte, hatte ich mich bereit gefunden, für seine Tochter zu zahlen. Aber jetzt, da er tot ist, will ich das nicht mehr.” Ihr Gesicht verhärtete sich. „Und es kommt noch hinzu, daß ich keinen Wert darauf lege, weiterhin hier in diesem Hause mit dir zusammen zu leben.” „Was ... was soll ich tun?” fragte Melita hilflos. „Das werde ich dir jetzt sagen”, antwortete Lady Cr anleigh. „Und du hast gar keine andere Wahl, als meinen Vorschlag anzunehmen.” Sie machte eine Pause und fuhr dann fort. „Wie du weißt, waren dein Vater und ich drei Monate vor seinem Tod in Paris. Dort trafen wir einen sehr charmanten Mann, den Comte de Vesonne. Er erzählte uns von seiner kleinen Tochter, der er sehr zugetan war. Al s wir uns trennten, sagte er zu mir: ,Wenn Rosemarie etwas älter geworden ist, Madame, werde ich mich an Sie wenden, um Sie zu bitten, mir eine gute englische Gouvernante zu empfehlen. Ich möchte, daß meine Tochter Englisch so gut wie Französisch spricht.’” Lady Cranleigh machte eine Pause. „Ich nehme an, du verstehst, was ich meine und welche Pläne ich für dich habe.” Melita war nicht fähig zu antworten, und so fuhr La dy Cranleigh fort: „Im letzten August habe ich dem Grafen de Vesonne geschrieben. Ich teilte ihm mit, daß ich eine Dame gefunden hätte, die eine erstklassige Gouvernante für seine Tochter abgeben würde. Vor zwei Tagen erhielt ich die Antwort. Er bittet m ich, die Gouvernante so schnell wie möglich auf den Weg zu schicken nach St. Pierre in Martinique.” „Martinique?” Melita konnte kaum sprechen. „Ich soll alleine dorthin fahren und mit Leuten leben, die ich nie gesehen habe?” „Ja, willst du denn gar nicht erwachsen werden?” erwiderte Lady Cranleigh. „Aber ... aber es ist so weit fort.” Lady Cranleigh zuckte mit den Schultern. „Das ist mir sehr angenehm. Denn ich möchte vermeiden, daß man darüber redet, ich hätte dich gezwungen, dein eigenes Geld zu verdienen. Und daß man vielleicht auch noch erwartet, daß ich mich um dich kümmere und dir einen passenden Ehemann suche. Dafür fühle ich mich noch zu jung.” Melita wußte, daß Lady Cranleigh Mitte dreißig war, und sie hatte das Gefühl, daß sie wieder heiraten wollte. Sie konnte sehr gut verstehen, daß sie sich keine junge Konkurrenz im eigenen Hause wünschte. Melita war aufgestanden und ging hin und her. „Es muß doch noch eine andere Möglichkeit geben?” „Du kannst natürlich auch einem Orden beitreten, ic h werde dich nicht daran hindern.” „Nein, nein. Das könnte ich nicht tun”, entgegnete Melita. „Aber Martinique... das ist das andere Ende der Welt.” Sie sah den Ausdruck ihrer Stiefmutter und verstand, daß gerade dieser Umstand ihr sehr gelegen kam. „Ich habe noch nie jemanden unterrichtet. Ich weiß nichts darüber”, sagte Melita. „Das Kind ist noch sehr jung”, erwiderte Lady Cranleigh. „Dein Vater hat genügend Kosten und Mühen in deine Erziehung gesteckt, und außerdem liest du sehr viel, so daß du eigentlich fähig sein solltest, einer kleinen Kreolin von deinem Wissen etwas abzugeben.” „Aber wenn mich der Graf und die Gräfin nicht mögen, was mache ich dann?” „Ich würde dir empfehlen, dafür zu sorgen, daß sie dich mögen”, sagte Lady Cranleigh. „Sonst mußt du nach England zurückschwim men.” Sie stand auf und sah Melita feindselig an. „Ich habe den Brief des Comte bereits beantwortet u nd ihm mitgeteilt, daß du mit
dem Schiff kommen wirst, das in zwei Wochen von Sou thampton abfährt. Ich werde die Passage bis nach Martinique bezahlen, und ich werde dir etwas Geld geben. Das ist weit mehr als das, was dein Vater an Werten hinterlassen hat, du kannst dich glücklich schätzen, daß du es bekommst.” „Und wenn ich das Geld ausgegeben habe?” fragte Melita. Ein Strahl der Wintersonne hatte sich durch das Fenster gestohlen und ließ ihr helles Haar erstrahlen. Sie sah sehr hübsch und zerbrechlich aus. „Von mir aus kannst du verhungern, es würde mich ni cht interessieren”, war die Antwort Lady Cranleighs. Dann ging sie hinaus und warf die Tür hinter sich zu. Die nächsten Tage erschienen Melita wie ein Alptraum, aus dem sie nicht erwachen konnte. Sie begann mit dem Packen und achtete darau f, daß sie nicht nur ihre eigenen Besitztümer mitnahm, sondern vor allem auch viele Gegenstände, die ihrer Mutter gehört hatten. Immer wieder dachte sie daran, daß sie England für immer verlassen sollte. Angstvoll malte sie sich aus, daß sie, weil sie keine gute Go uvernante war, entlassen wurde. Vor ihren Augen sah sie ihr letztes Geld dahin schmelzen, bevor sie eine neue Stellung bekam. Ich werde wahrscheinlich verhungern, dachte sie auß er sich vor Angst. Dann aber erschien ihr im Geiste der letzte Ausweg, sie konnte sich ins Meer stürzen. Das würde nicht schwer sein, wenn es sie doch wieder mit ihren Elte rn vereinte. Dann endlich wäre sie nicht mehr so allein, wie sie es jetzt war. Allein in einer feindlichen Welt, wo sie sich zu niemandem flüchten konnte. Kurz dachte sie auch einmal daran, doch Kontakt zu ihren Verwandten in Northumberland aufzunehmen. Aber dann führte sie sich vor Augen, daß sie für diese Leute ohne Geld nur eine Belastung darstellen konnte. Und so verwarf sie den Gedanken wieder. Es gab für sie tatsächlich keine andere Wahl, als d ie Befehle ihrer Stiefmutter auszuführen. Und das hieß, ihre Koffer zu packen und nach Southampton zu fahren. Da sie sich zu unsicher fühlte, jemandem etwas beiz ubringen, packte sie auch eine Anzahl von Büchern ihres Vaters ein. So hatte sie das Gefühl, den Kontakt zu ihm auch in der neuen Welt nicht zu verlieren. Gleichzeitig vermittelten ihr die Bücher aber auch wieder ein Gefühl der Trauer. Denn sie mußte daran denken, wie sie ihre Lieblingsbücher gemeinsam mit ihrem Vater gelesen hatte. Die Tränen standen ihr in den Augen, als sie einen Gedichtband in Händen hielt, und es war ihr, als hörte sie die tiefe Stimme ihres Vaters daraus rezitieren. Bis zum Schluß hoffte sie, daß noch irgendein Wunde r sie vor der Überfahrt bewahren würde. Aber als ihr Schiff dann aus dem Hafen von Southampton segelte, waren ihre Augen blind vor Tränen, so daß sie keinen letzten Blick auf ihr Heimatland werfen konnte. Sie hätte auch nicht viel sehen können, denn es war ein grauer, regnerischer Tag. Der Himmel hing voll schwerer Wolken, und die See war s o schwarz wie Stahl. Ganz im Gegensatz zu der lebhaften Brandung, die sich am Strand von Martinique brach, wo das Meer und der Himmel die Farben von Melitas Augen hatten. Als das Schiff nun auf den langen Hafendamm zuhielt, sah sie die unzähligen kleinen Boote, die sich im Hafenbecken tummelten. Manche wa ren an Bojen vertäut, andere segelten vor dem Wind, und eine große Anzahl von Dreimastern ankerte nahe dem Hafen. Fahnen und Flaggen flatterten von ihren Masten und verliehen dem Hafen eine festliche Atmosphäre. Das Paris der Westindischen Inseln, dachte Melita b ei sich, und sie wußte, daß, wie immer auch die Stadt sein mochte, es sie nicht stören würde. Sie hatte aus dem Brief des Grafen an Lady Cranleigh entnommen, daß das Schloß, in dem sie wohnen würde, nicht in St. Pierre, sondern etwas außerhalb lag. ,Ich selbst werde die Dame, die Sie uns geschickt haben, im Hafen empfangen’, hatte der Comte in eleganter Schrift geschrieben. Und ich versichere Ihnen, daß wir alles tun
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