UNGARISCHERUNDSCHAUFÜR HISTORISCHE UNDSOZIALEWISSENSCHAFTENUNTER MITWIRKUNG VON VIKTORCONCHA,FRIEDRICHRIEDL,LUDWIGHERAUSGEGEBENVONVONTHALLÖCZYProf. GUSTAV HEINRICHDr.GENERALSEKRETÄR DER UNG.AKADEMIE DERWISSENSCHAFTEN-IV. JAHRGANG 1915VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT1' MÜNCHEN UND LEIPZIG <-Alle Rechte vorbehalten.90/AltenburgPierersche HofbuchdruckereiStephan Oeibel & Co.Inhalt des IV. Jahrganges.Aufsätze:SeiteAldäsy, Anton, Die Gesandtschaft des ungarischen Reichstages an Ladis-laus V, 1452 186Bischoff, Heinrich, Lenau und Lamartine 136Nikolaus Lenau in Amerika 509 Lenaus «Waldlieder" 517Concha, Viktor, Zur Reform des Parlaments und Bindings Vorschläge. . 460Machiavellis Auferstehung 39Czäszär, Mich., Academia Istropolitana Die Universität des Königs Mathiaszu Pozsony 907Czeke, Marianne, Das ungarische Shakespeare-Jahrbuch für 1914 515Eckhart, Franz, Das erste staatliche Archiv Ungarns 528Zur Geschichte des gemeinsamen Zollgebietes 896Földes, Bela, Ein unbekanntes Memorandum Friedrich Lists über das Ver-kehrswesen Ungarns 487Fraknöi, Wilhelm, König Matthias Corvinus und der deutsche Kaiserthron 1Bela IV von Sizilien 527König Matthias und die Hohenzollern 535Deutsche HandschriftenGragger, Robert, in ungarischen Bibliotheken . . 715Heinrich, Karl, Die Sage vom Wunderhirsch bei den Byzantinern .... 204 Gustav, Der älteste deutsche Dichter Ungarns 524Herczeg, Franz, Zu Maurus GedächtnisJökais 27Emerich,Karäcson, Die Pforte und Ungarn ...
UNGARISCHE
RUNDSCHAU
FÜR HISTORISCHE UND
SOZIALEWISSENSCHAFTEN
UNTER MITWIRKUNG VON VIKTOR
CONCHA,FRIEDRICHRIEDL,LUDWIG
HERAUSGEGEBENVONVONTHALLÖCZY
Prof. GUSTAV HEINRICHDr.
GENERALSEKRETÄR DER UNG.AKADEMIE DERWISSENSCHAFTEN
-IV. JAHRGANG 1915
VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT
1' MÜNCHEN UND LEIPZIG <-Alle Rechte vorbehalten.
90/
Altenburg
Pierersche Hofbuchdruckerei
Stephan Oeibel & Co.Inhalt des IV. Jahrganges.
Aufsätze:
Seite
Aldäsy, Anton, Die Gesandtschaft des ungarischen Reichstages an Ladis-
laus V, 1452 186
Bischoff, Heinrich, Lenau und Lamartine 136
Nikolaus Lenau in Amerika 509 Lenaus «Waldlieder" 517
Concha, Viktor, Zur Reform des Parlaments und Bindings Vorschläge. . 460
Machiavellis Auferstehung 39
Czäszär, Mich., Academia Istropolitana Die Universität des Königs Mathias
zu Pozsony 907
Czeke, Marianne, Das ungarische Shakespeare-Jahrbuch für 1914 515
Eckhart, Franz, Das erste staatliche Archiv Ungarns 528
Zur Geschichte des gemeinsamen Zollgebietes 896
Földes, Bela, Ein unbekanntes Memorandum Friedrich Lists über das Ver-
kehrswesen Ungarns 487
Fraknöi, Wilhelm, König Matthias Corvinus und der deutsche Kaiserthron 1
Bela IV von Sizilien 527
König Matthias und die Hohenzollern 535
Deutsche HandschriftenGragger, Robert, in ungarischen Bibliotheken . . 715
Heinrich, Karl, Die Sage vom Wunderhirsch bei den Byzantinern .... 204 Gustav, Der älteste deutsche Dichter Ungarns 524
Herczeg, Franz, Zu Maurus GedächtnisJökais 27
Emerich,Karäcson, Die Pforte und Ungarn im Jahre 1788 79
Karäcsonyi, Johann, Das Land Borodnok 131
Kohut, Adolph, Ein ungedruckter Brief K. M. Kertbenys aus dem Jahre 1848 526
Marczali, Heinrich, Franz von Pulszky 1814—1897 630
Molden, Ernst, Zur Geschichte der orientalischen Frage 148
Molnär, Josef, Das albanische Problem 934
Munkäcsi, Bernhard, Professor Hermann Vämbery, 1832—1913 (II. Teil) 88
Professor Hermann Vämbery, 1832—1913 (III. Teil) 386
Nagy, Gera, Zur Frage der künstlichen Hügel in Ungarn 409
Osztern, P., Der «heilige nach .S. Krieg- mohammedanischem Recht. . . 673
Patek, Franz, Die Jesuiten in Ungarn 143
Räcz, Ludwig, Montesquieu in 499
Sieghart, Rudolf, Die Denkschrift Friedrich Lists über die Verbesserung
des ungarischen (Mit Abbildung)Transportwesens 1 745
Sufflay, Milan von. Zu den ältesten kroatisch-ungarischen Beziehungen . 883
Szentpetery, Emerich, Das Banat von Machow (Macsö) 873
Takäts, Alexander von, Vezir Szokolli Musztafa Pascha (Der große
Musztafa) 788
Tarczai, Elisabeth, Hexenprozesse in Kroatien 193
Thallöczy, EngelLudwig von, Johann Christian von und seine Korre-
spondenz 247
Thienemann, Theodor, Goethes ungarischer Schüler 814
Tolnai, Wilhelm, Etymologisches Wörterbuch der ungarischen Sprache. . 492Inhalt des IV. Jahrganges.IV
Seite
der deutschen Literatur des XVII. Jahr-Trostler, Josef, Ungarische Stoffe in
^57hunderts
ungarischen Codex-Literatur 924Damjän (O. Cist), H. A. Seuse in derVargha,
Szatmär (I. Teil) 54Stefan, Die deutsche Ansiedelung im KomitatVonhäz,
Teil) 432deutsche Ansiedelung im Komitat Szatmär (11.Die
Q17Arthur, Über die Zipser HunnensageWeber,
Eduard von, Eine ungedruckte Charakteristik des BaronWertheime r,
113Nikolaus Wesselenyi
der ungarischen Altkonservativen .... 848Neue Beiträge zur Geschichte
der Habsburger 179Wertner, Moritz, Zur Familiengeschichte
Kleine Beiträge zur deutschen Literatur:
ungarischen Bühne 952Bexa, Desider, Faust auf der
Legende vom Hufeisen .... 938Qragger, Robert, Ungarisches zu Goethes
212Kohut, Adolph, Emanuel Geibel und Ungarn
Peisner, Ignaz, Das deutsche Theater in Budapest (bis 1812) 214
Schwartz, Elemer, Der Name «Hienz» 946
Trostler, Boeners «Rennbahn der Ehren» (1688) 207Josef.
Zur politischen Lyrik des Kriegsjahres 1809 218Weber, Arthur,
- — Kurutzen 942Ein deutsches Schmähgedicht auf dieKönig Corvinus und der deutsche Kaiserthron.Matthias
Fraknöi.Von Bischof Wilhelm
vermochte Be-ungarische Nation es jederzeit, die
D:IE
1 strebungen des auf dem Boden unserer heutigen Heimat
geschaffenen Staates, welche auf die Sicherung der Unab-:
hängigkeit und des nationalen Charakters abzielen, mitj
,
Anforderungen der eigentümlichen Situation in Einklang zuden
bringen, welche im europäischen Staatensystem, in der Einkeilung
zwischen zwei kraftvollen Völkerrassen und zwei großen Reichen,
gegeben sind.
Dieser doppelte Gesichtspunkt leitete die Könige aus dem Hause
— und Ehebündnisse,der Ärpäden in der Schließung politischer
durch welche sie mit anderen Dynastien in Interessengemeinschaft
traten; und veranlaßte die Nation, nach dem Erlöschen des Mannes-
stammes der ungarischen Dynastie, durch anderthalb Jahrhundertc
fremde Fürsten auf den Thron zu erheben.
Die Ungarn allein und isoHert, seiner Be-Überzeugung, daß
gerade damalsstimmung nicht gerecht werden könne, offenbarte sich
am auffallendsten, als in der einstimmigen Wahl Matthias Hunyadis
zum König von Ungarn die Wiederherstellung des nationalen König-
tumes in Erfüllung ging.
— FehlerDie Führer der sieghaften Partei, erbittert durch die
—und Verbrechen der deutschen Herrschaft drohten mit brutalem
Ernst, daß «bevor noch ein seinen Lauf erfüllt hätte, die PferdeJahr
ungarischer Helden bis zu den Knien in deutschem Blute waten wür-
den»i). war vergangen, als eine mächtigeUnd dennoch kein Jahr
Partei den deutschen Kaiser zum ungarischen König proklamierte.
Matthias aber, anstatt mit Waffen seinen Gegner zu bezwingen,
schloß mit diesem ein Bündnis, ließ sich von ihm an Sohnes statt
annehmer; und versprach, ihm Gefühle kindHcher Liebe entgegenzu-
als gehorsamerbringen; ja, in kürzester Frist bat er den Kaiser
Sohn, er möge für ihn, nach eigenem Ermessen eine Gattin wählen 2).
1) dem am 18. Februar 1458 an seinen Fürsten gerichteten Bericht desIn Ge-
sandten von Mailand am kaiserlichen Hofe wird dieser Ausspruch der Mutter König
König von Ungarn. (Frei-Matthias' zugeschrieben. Fraknöi: Matthias Corvinus,
burg 67.1891),
2) Vergleiche die Abhandlungen des Verfassers vorliegender Zeilen «Die Adop-
tierung Matthias' durch Kaiser Friedrich», erschienen in der «BudapestiKönig
Szemle», Jahrgang 1910, Band 141.
Ungarische Rundschau. IV. Jahrg., 1. Heft. 1Ungarische Rundschau.2
Aber die phrasenhaften Äußerungen der Selbstdemütigung waren
nur die deckende Maske für einen stolzen Gedanken. Zwischen dem
deutschen Reiche und dem ungarischen Staate sollte in der Weise
innige Beziehung geschaffen werden, daß nicht der ungarischeeine
einen deutschen, sondern vielmehr das deutsche Reich einenStaat
ungarischen Herrscher erhalte.
ganz ungewöhnlicher Ehrgeiz, der in demZweifellos war es ein
Hunyader Comitate den WunschEnkel des Kleinadeligen aus dem
Hohenzollernentfachte, über die Habsburger, Witteisbacher und zu
herrschen. Aber der Sohn des Erretters der Christenheit und Erbe
seinerMission durfte sich würdig fühlen, die höchste weltliche Würde
zu bekleiden, welche das Christentum zu verleihen hatte. In seinem
Unternehmen bestärkte ihn der Umstand, daß sein Zeitgenosse,
Georg Podiebrad, König von Böhmen, der weder der Sprosse eines
noch aber auch deutscher Abkunft war, die Ab-fürstlichen Hauses,
zum Teilhaber undsicht hatte, sich noch zu Lebzeiten des Kaisers
Erben des deutschen Thrones mit dem Titel eines römischen Königs
erwählen zu lassen. Diesen Plan Podiebrads, welcher an dessen un-
erschütterlicher Zugehörigkeit zur hussitischen Sekte scheiterte,
wollte Matthias verwirkHchen.
Schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts übergaben die deut-
schen Archive jene Briefwechsel der Öffentlichkeit, w^elche sich auf
drei Versuche Matthias, die Kaiserkrone zu erwerben, beziehen. Hin-
gegen sind die im herzoglich-ferrarischen Archive aufbewahrten
diplomatischen Berichte, welche von einem vierten Versuche Kunde
geben, bisher noch nicht in die Öffentlichkeit gedrungen. Diesen
letzten Versuch König Matthias' im vorliegenden zu erörtern, ist
meine Absicht.
I.
Das erstemal war zu Beginn des Jahres 1468 von der Wahl König
Matthias' zum König von Rom die Rede; damals hatte Podiebrad
die kirchliche Exkommunikation auf sich gezogen und mit seinen
Scharen Österreich überschwemmt. Sowohl der Kaiser, wie auch
der Papst wandten sich an den ungarischen König um Hilfe. Ihre
Gesandten boten Matthias die Würde des Königs von Rom an. Er
befreite nun den Kaiser von seinen Feinden und drang in Böhmen
ein, um den glaubensabtrünnigen König seines Thrones zu berauben.
Der Kaiser indessen weigerte sich nachträglich, sein Versprechen
zu erfüllen.
Da unternahm Matthias den Versuch, ohne seine Hilfe und gegen
seinen Willen die Wahl durchzuführen. Er willigte in den Antrag