Aus tiefem Schacht
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Publié le 08 décembre 2010
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The Project Gutenberg EBook of Aus tiefem Schacht, by Fedor von Zobeltitz This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Aus tiefem Schacht Author: Fedor von Zobeltitz Release Date: May 15, 2010 [EBook #32391] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK AUS TIEFEM SCHACHT *** Produced by Markus Brenner and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Aus tiefem Schacht Roman von Fedor von Zobeltitz Stuttgart 1915 Verlag von J. Engelhorns Nachf. Alle Rechte, namentlich das Übersetzungsrecht, vorbehalten Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart Erstes Kapitel Hedda stand mitten unter dem Hühnervolk und sah mit andächtiger Miene zu, wie die Magd das Futter auswarf. Der Hühnerhof war ihre besondere Vorliebe, und für ihn verschwendete sie reuelos, was von den Erträgnissen der kleinen Wirtschaft übrig blieb. Es gab da allerhand sonderbares Getier, das mit unserm braven deutschen Haushuhn nur eine sehr entfernte Ähnlichkeit hatte und das Hedda aus weither bezogenen Eiern hatte ausbrüten lassen: ganz kleine, zierliche Geschöpfe mit bronzefarbenem Gefieder und wieder riesengroße, mit breiten Federlappen an den Füßen und buschigem Kamme, Perlhühner und solche aus Cochinchina, Liliputaner aus Java und ähnliche Arten, die sich nicht leicht züchten ließen und zärtlich behandelt sein wollten. Dörthe streute die Körner mit der rechten Hand unter das gackernde Volk, während sie mit der Linken die Futterschwinge hielt. Die Verehrung für das Hühnervolk hatte sie von ihrer Herrin geerbt; das frische, sonnenbraune, bildhübsche Gesicht der Dirne strahlte vor Vergnügen. „Der große Gottlieb frißt uns noch tot,“ sagte sie, lachend ihre blanken Zahnreihen zeigend. „Nee gnä’ges Fräulein – was d e fressen kann!! Und den Zwerghühnern nimmt er immer ihr bißchen Futter weg; man r [5] merkt, daß er ausländ’sch ist.“ Hedda nickte. „Er ist nur gegen die eigne Art galant,“ erwiderte sie; „die Menschen machen’s nicht anders. “ Dann fragte sie nach dem Vater Dörthes. Der war Stellmacher unten im Dorfe und hatte sich kürzlich eine leichte Lungenentzündung geholt. Aber es ging ihm schon besser; der Doktor war dreimal dagewesen – nun brauchte er nicht mehr zu kommen. Morgen oder übermorgen konnte der alte Klempt wieder an die Arbeit gehen. „Hat er denn viel zu tun?“ fragte Hedda. „O ja, gnä’ges Fräulein,“ entgegnete Dörthe lebhaft und klappte die Futterschwinge aus, damit auch nicht das letzte Körnlein verloren gehe. „Seit Kommerzienrats drüben wohnen, könnte er sechs Arme haben. Da gibt’s immerwährend was!“ Sie trieb die Hühner davon, die sie noch immer umringten und an ihr emporzuflattern versuchten. Hedda schritt quer über den Wirtschaftshof und trat in den kleinen Vorderpark, in dem das Rosenrundell in voller Blüte stand. Es war in der fünften Nachmittagsstunde und noch ziemlich heiß. Aber das junge Mädchen spürte von der Hitze nicht viel. Hedda behauptete, ihr kühles Herz temperiere sie so völlig, daß sie gegen jede sommerliche Bosheit geschützt sei. Sie gehörte zu jenen blonden Schönheiten, die in der Tat eine beständige Frische auszuströmen scheinen. Obwohl sie erst Anfangs der Zwanzig war, machte sie doch einen reiferen Eindruck. Mit ihrer großen, stattlichen Gestalt und der vollen Büste hätte man sie für eine junge Frau halten können. Auf der glasüberdachten Veranda des Herrenhauses blieb sie stehen und schaute hinab auf das Dorf. Der Baronshof lag auf einer Anhöhe. Man erzählte sich, der Großvater des jetzigen Besitzers, des Freiherrn von Hellstern, habe ihn auf derselben Stelle erbaut, auf der ehemals das alte Schloß gestanden habe. Das kannte man freilich nur noch der Sage nach. Den Hellsterns war es ergangen wie manch anderm alten Geschlechte. Die Ahnen hatten nichts übrig gelassen für die Nachkömmlinge. Freilich – der Letzte im Mannesstamme hatte sich lange und bitter genug gewehrt gegen den Untergang, mit Kraft und mit Zähigkeit, mit hartem Schädel und beiden Fäusten. Aber schließlich hatte er doch den aussichtslosen Kampf aufgeben und die Waffen strecken müssen. Das war mit vollen Ehren geschehen, und die Leute sagten, er könne noch froh sein, daß Kommerzienrat Schellheim ihm seinen Landbesitz abgekauft habe, und daß der Baron nun in Frieden seine alten Tage auf der Scholle seiner Väter verleben könne. Denn Herrenhaus und Hof hatte er behalten; der Kommerzienrat legte keinen Wert auf die halbverfallenen Baulichkeiten – er wohnte drüben in seinem neuen Schloß, das mit glänzenden Fensterreihen vom Auberge hinab zum Tale grüßte. Hedda hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt. Im Sonnendunst des Tages verschwamm der kaum eine Wegstunde entfernte Auberg mit seiner modernen Ritterburg in bläulich-grauen Nebelschleiern. Die ganze Umgebung war reich an Wald und Höhen. Die Landschaft erinnerte mehr an Thüringen als an die vielgeschmähte Streusandbüchse des heiligen römischen Reichs. Dunkle Linien begrenzten in unregelmäßigen Kurven den Horizont: weit ausgedehnte Kiefernforsten, die mit wunderschön gepflegten, unter fiskalischer Verwaltung stehenden Buchen- und Eichenwaldungen wechselten. Durch die breite Talmulde, in deren Mitte das Dorf Oberlemmingen lag, rann ein Nebenfluß der Oder, die kleine Barbe, die aber zur Zeit der Schneeschmelze gar stattlich anwachsen konnte. Sie trennte das Tal in zwei ziemlich gleiche Hälften, und hüben und drüben wuchsen aus flacher Sohle zwei Anhöhen empor, der Auberg und der Lemminger Zacken, auf dem der Baronshof lag. Hedda trat in das Haus. Es war ein alter, viereckiger Kasten mit hohem, schrägem Ziegeldach, so wie man zu friderizianischer Zeit auf dem Lande zu bauen pflegte. Und es war schon richtig: man spürte überall, daß das Gebäude arg vernachlässigt worden war. Ställe und Scheunen hatte der Freiherr stets in sauberster Ordnung gehalten, aber für das Herrenhaus tat er nicht viel. Er war nicht verwöhnt, war mehr eine soldatische Natur. Es war ihm herzlich gleichgültig, daß die alten Ledertapeten im Speisezimmer immer schwärzer wurden, und daß in den Korridoren der Putz von der Decke fiel – auch jetzt noch, wo er durch den Verkauf seines Landbesitzes wenigstens ein sorgenloses Auskommen hatte. Es gab immer einen kleinen Kampf zwischen ihm und Hedda, wenn die letztere Handwerker ins Haus bestellte, um die notwendigsten Ausbesserungen vornehmen zu lassen. Das Zimmer, das Hedda bewohnte, war das freundlichste auf dem ganzen Baronshofe. Es lag im ersten Stockwerk, nach hinten hinaus, mit dem Ausblick auf den schönsten Teil des Parks, war groß, luftig und sonnig und mit dem bunten Komfort eines Backfischchens eingerichtet, das sich sein Heiligtum nach Möglichkeit hübsch zu machen sucht. Die ganze Seite einer Wand nahm ein breites, tannenes Büchergestell ein. Auf diese ihre Bücher war Hedda stolz. Es waren die Reste einer stattlichen Sammlung, die einst ihr Urgroßvater, einer der Generale des großen Friedrich, zusammengebracht hatte, meist französische Geschichts- und Memoirenwerke, in die sich Hedda in ihren freien Abendstunden zu vertiefen
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