102. Das Geisterschloß - Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
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Deutsch

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102. Das Geisterschloß - Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland , livre ebook

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Description

Nach dem Tod ihres Vaters, des Grafen von Weir, bleiben Lady Arletta nur wenige Möglichkeiten, ein Auskommen zu finden. Da der Erbe des Grafentitels, ihr Cousin Hugo, darauf besteht, daß sie aus dem Schloß auszieht, muß sie sich eine neue Bleibe suchen. In dieser Situation ist ihre Freundin Jane der rettende Engel. Sie vermittelt Lady Arletta die Stelle einer Erzieherin bei dem Herzog von Sauterre, dessen Schloß in der Dordogne liegt. In den Mauern des unheimlich wirkenden Gebäudes fühlt sich Arletta von Anfang an unwohl. Nicht wegen der angeblich spukenden Vorfahren des Herzogs, sondern aufgrund der Stimmung, die im herzoglichen Haushalt herrscht. Und ihr Gefühl täuscht sie nicht... Barbara Cartland wurde 1901 geboren und stammt mütterlicherseits aus einem alten englischen Adelsgeschlecht. Nach dem Tod des Vaters und Großvaters ernährte ihre Mutter die Familie allein. Sie war zweimal verheiratet und hatte drei Kinder. Ihre Tochter Raine war die Stiefmutter von Prinzessin Diana von Wales. Sie schrieb über 700 Romane, die ein Millionenpublikum ansprechen. Barbara Cartland starb im Jahr 2000.

Sujets

Informations

Publié par
Date de parution 14 juin 2019
Nombre de lectures 0
EAN13 9781788671576
Langue Deutsch
Poids de l'ouvrage 1 Mo

Informations légales : prix de location à la page 0,0250€. Cette information est donnée uniquement à titre indicatif conformément à la législation en vigueur.

Extrait

DAS GEISTERSCHLOSS
Barbara Cartland
Barbara Cartland E-Books Ltd.
Vorliegende Ausgabe ©2019
Copyright Cartland Promotions 1985 Gestaltung M-Y Books
www.m-ybooks.co.uk
1 ~ 1886
„Tut mir aufrichtig leid, Lady Arletta, aber ich fürchte, damit bleibt Ihnen wenig Zeit.“ „Sehr wenig, Mr. Metcalfe.“ Lady Arletta Cherrington-Weir ließ einen tiefen Seufzer folgen, und ihre blauen Augen blickten bekümmert drein. Mr. Metcalfe, ein penibler Anwalt in mittleren Jahren, hätte alles darum gegeben, den Kummer aus dem schönen Antlitz zu vertreiben, wenn es in seiner Macht gestanden hätte. Er kannte Lady Arletta von Kind auf und hatte sie zu einer jungen Dame heranwachsen sehen, die von Jahr zu Jahr schöner wurde. Er konnte sich keine andere junge Frau von zwanzig vorstellen, die so bezaubernd aussah und gleichzeitig so bescheiden und sich ihrer Schönheit so wenig bewußt war wie sie. Das war nicht verwunderlich, hatte sie doch in den vergangenen zwei Jahren ihren Vater, den Grafen Weir, pflegen müssen, einen schwierigen Patienten, der von Monat zu Monat unausstehlicher und tyrannischer geworden war. Er hatte keine andere Pflegerin um sich geduldet und seine Tochter nach übereinstimmender Meinung der Ärzte und anderer eingeweihter Personen übler schikaniert, als er es jemals bei einer ausgebildeten Krankenpflegerin gewagt hätte. In den entlegenen Grafschaften Englands, besonders auf Dörfern, war Pflegepersonal ohnehin Mangelware. Meistens war es nur in der Person einer Hebamme vertreten, die alt und fett war und sich bei langen Nachtwachen mehr der Ginflasche widmete als ihren Patienten. Daher war Arletta nichts anderes übriggeblieben, als die Pflege ihres schwerkranken Vaters zu übernehmen. Er litt an Herzanfällen, die mit unerträglichen Schmerzen verbunden waren, aber auch an Gicht, die er dem reichlichen Genuß von Portwein und Claret zu verdanken hatte, dem er trotz ärztlichen Verbotes weiter frönte. „Wenn ich schon sterben muß“, pflegte er wütend zu sagen, „dann kann ich mich auch betrinken! Ich will verdammt sein, wenn ich mir den einzigen Trost, der mir in meiner widerwärtigen Lage geblieben ist, auch noch nehmen lasse!“ Arletta hatte es längst aufgegeben, ihm zu widersprechen. Sie war so nachgiebig mit ihm, daß er sie bei seinen häufigen Wutausbrüchen als feige und stinklangweilig beschimpfte. Dabei ließ er, wenn er sich einmal in besserer Verfassung befand, deutlich erkennen, wie stolz er auf sein einziges Kind war, wenn es für ihn auch eine bittere Enttäuschung gewesen war, daß es kein Stammhalter geworden war. Deshalb würde sein Neffe Hugo, den er verachtete, den Adelstitel erben. Arletta mochte Hugo auch nicht. Sie hielt ihn für einen arroganten jungen Mann, der sehr eigenwillige Vorstellungen hatte, wie er den Besitz verwalten wollte, und sich vehement weigerte, auf seinen Onkel zu hören oder sich irgendetwas von ihm sagen zu lassen. Zwei Wochen nach dem Tode des alten Grafen hatte er Arletta wissen lassen, daß er in Weir House einzuziehen gedenke und sie schleunigst ihren persönlichen Besitz und sich selbst aus dem Haus zu entfernen habe. Ihr Problem war, und das hatte sie auch Mr. Metcalfe mitgeteilt, daß sie nicht wußte, wohin sie gehen sollte. „Sie müssen doch irgendwelche Verwandte haben, bei denen Sie wohnen können, Mylady“, sagte der Anwalt. „Sie könnten auch jederzeit ins Auszugshaus einziehen, wie Sie wissen.“ „Sicher“, erwiderte Arletta, „und es war sehr freundlich von Vetter Hugo, mir das anzubieten, aber Sie wissen so gut wie ich, daß es mir niemals gestattet sein würde, allein darin zu wohnen.“
Wieder seufzte sie, dann fuhr sie fort: „Außerdem könnte ich es nicht ertragen, mitansehen zu müssen, wie Hugo hier alles auf den Kopf stellt und die Methode, nach der Papa den Besitz verwaltet hat, nicht mehr gelten läßt.“ „Sicher wäre es besser für Sie, anderswo zu leben“, pflichtete Mr. Metcalfe ihr auf seine bedächtige Art bei. „Bedauerlicherweise hat die Krankheit Ihres Vaters verhindert, daß Sie vor einem Jahr bei Hofe vorgestellt wurden und Ihren eigenen Ball geben konnten, auf den Sie sich, wie ich mich erinnern kann, schon als Schulmädchen gefreut haben.“ Arletta lächelte versonnen. „Ich habe mir immer in den schönsten Farben ausgemalt, wie prächtig mein erster Ball in Weir House sein würde. Mama schwärmte schon davon, als ich noch ganz klein war. Sie sagte immer, es würde ein mindestens ebenso schöner Ball werden, wie sie zu Lebzeiten meines Großvaters hier stattgefunden haben.“ Mr. Metcalfe war sehr wohl bekannt, daß der dritte Graf mit seinem zügellosen Hang zu Luxus und Extravaganz das Weir-Vermögen verschleudert und den Besitz in Schulden gestürzt hatte. Arlettas Vater hatte sich redlich bemüht, die Ländereien gewinnbringend zu nutzen und seiner Familie ein standesgemäßes Auskommen zu sichern. Doch er hatte den Familienbesitz in London, der damals zu einem Spottpreis verschleudert worden war, nicht zurückgewinnen können, und auch das Vermögen nicht, das in gewagten Spekulationen, die schnellen Reichtum versprochen hatten, vergeudet worden war. Als er erkrankte, hatte Arletta gerade ihre Schulzeit beendet, und an ihre Einführung in die Gesellschaft war nicht zu denken gewesen. Da der alte Graf alle Besucher, die ihm ihr Mitgefühl bekunden wollten, vor den Kopf gestoßen hatte, waren er und seine Tochter bald völlig isoliert, und in dem großen, vorher so gastlichen Haus hatte Grabesstille Einzug gehalten. Da der Graf nicht mehr reiten konnte, hatte ein benachbarter Landedelmann die Meute übernommen und die Fuchsjagd veranstaltet, ebenso wie er den Ball ausgerichtet hatte, der das größte lokale Ereignis im Sommer war . Auch der traditionelle Bogenschützenwettbewerb hatte nicht mehr auf dem grünen Rasen des gräflichen Besitzes stattgefunden. Auf das ganze Anwesen schien sich ein Nebel von Trostlosigkeit und Todesahnung zu senken. Tatsächlich hatte der Graf es der aufopfernden Pflege nur seiner Tochter zu verdanken, daß er länger gelebt hatte, als bei seinem Zustand zu erwarten gewesen war, doch nun hatte er seine ewige Ruhe gefunden, und für Lady Arletta war es nach Mr. Metcalfes optimistischer Einschätzung ein Neubeginn. „Lassen Sie uns einmal in aller Ruhe darüber nachdenken“, schlug er vor. „Ich kenne all Ihre Verwandten und hoffe, Sie halten es nicht für ungehörig von mir, wenn ich Ihnen einen Rat gebe.“ „Natürlich nicht, Mr. Metcalfe. Ich bin Ihnen für jeden Vorschlag außerordentlich dankbar“, entgegnete Arletta. „Wie Sie wissen, leben nur wenige meiner nächsten Verwandten in England.“ Der jüngste Bruder des Grafen war Gouverneur in Khartum. Da er unverheiratet war, würde er seine Nichte kaum für längere Zeit bei sich aufnehmen können, zumal das Leben in diesem unruhigen Land nicht ungefährlich war. Ihre einzige Tante wiederum war mit dem Gouverneur der indischen Nordwest-Provinzen verheiratet. Sie hatte selbst drei Töchter, um die sie sich kümmern mußte, und würde nicht einverstanden sein, Lady Arletta auch noch in ihre Obhut nehmen zu müssen. „Da wäre Ihre Kusine Emily, Mylady“, sagte Mr. Metcalfe nach langer Pause. Arletta wehrte entsetzt ab. „Ich kann nicht mit Emily zusammenleben, Mr. Metcalfe! Das könnte ich nicht ertragen. Wie Sie wissen, widmet sie sich nur der Wohltätigkeit und mißbilligt jegliche
Vergnügungen wie Tanzen und Musik. Sie duldet keine glücklichen Menschen um sich. Ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als mit Kusine Emily zusammenleben zu müssen.“ Mr. Metcalfe gab ihr lachend recht. „Da stimme ich mit Ihnen überein, Lady Arletta. Also müssen wir eine andere Bleibe für Sie finden.“ „Aber wo?“ Arletta seufzte leise und fuhr fort: „Ich habe mir oft gewünscht, einige von Großmamas Verwandten kennenzulernen. Da sie aber in Frankreich leben und wohl niemals nach England gekommen sind, habe ich keine Verbindung zu ihnen, obwohl ich nach meiner Großmutter genannt wurde.“ „Daran habe ich gar nicht mehr gedacht“, murmelte Mr, Metcalfe vor sich hin. „Sicher, Arletta ist ein französischer Name.“ „Man hat mir oft gesagt, daß es auch der Name der Großmutter von Wilhelm dem Eroberer sei“, sagte Arletta, „und da meine Großmama aus der Normandie stammte, hatte sie auch blondes Haar und blaue Augen. Also wirke ich zwar englisch, bin aber auch Französisch.“ Mr. Metcalfe lachte. „Das will ich Ihnen gern glauben, Lady Arletta, obwohl ich mir Französinnen immer dunkeläugig und mit dunklem Haar vorgestellt habe.“ „Nicht, wenn es sich um Normannen handelt“, sagte Arletta stolz, dann fuhr sie fort: „Wenn ich mich also nicht an Großmamas Verwandte wenden will, die ich überhaupt nicht kenne, wen gäbe es noch in England?“ „Da wäre noch Lady Travers“, schlug Mr. Metcalfe vor. Arletta schnitt eine Grimasse. Lady Travers war eine Kusine von ihr, die gelegentlich in Weir House zu Besuch gewesen war, sich dazu jedoch stets selbst eingeladen hatte. Sie gehörte zu den Frauen mittleren Alters, die stets über irgendein Leiden zu klagen hatten, das den Ärzten Rätsel aufgab. Arletta hatte schon seit geraumer Zeit erkannt, daß das einzige, was ihrer Kusine Alice fehlte, eine sinnvolle Beschäftigung war. Sie verfügte über genügend Geld, um angenehm leben zu können, aber sie hatte keine Kinder und war daher nur mit sich selbst und ihren eingebildeten Krankheiten beschäftigt. Sie hielt sich monatelang in Harrogate oder Cheltenham auf, ohne sich danach wohler zu fühlen, so daß es dann mindestens Bath, Spa, Baden-Baden oder sogar Aix-les-Bains in Frankreich sein mußte. Arletta fand, daß ihr zwei Jahre als Pflegerin mit einem Kranken wie ihrem Vater genügten, und sie es nicht ertragen könnte, das gleiche noch einmal mit einem anderen Menschen durchmachen zu müssen. Mr. Metcalfe sah ihr an, was sie bewegte. „Auf keinen Fall Lady Travers!“ entschied er. „Denken wir darüber nach, wer noch in Frage käme.“ „Darüber habe ich mir die ganze Zeit schon den Kopf zerbrochen“, sagte Arletta, „denn es ist mir einfach unbegreiflich, daß von einer so angesehenen Familie wie der unseren nur so wenige Personen in Betracht kommen.“ „Es muß jemanden geben!“ rief Mr. Metcalfe der Verzweiflung nahe. „Ich habe einige Verwandte, die im Norden von Schottland leben“, sagte Arletta, „und auch entfernte Verwandte in Irland, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß sie besonders entzückt wären, mich bei sich aufnehmen zu müssen, nachdem Papa sie die ganze Zeit mit Verachtung gestraft hat.“ Mr. Metcalfe mußte ihr auch in diesem Punkt recht geben und versuchte, sich den Familienstammbaum vor Augen zu führen, dessen Abbildung in der Bibliothek hing. Arletta erhob sich unvermittelt. „Es hat keinen Sinn, sich länger darüber den Kopf zu zerbrechen“, entschied sie. „Ich werde jetzt meine Sachen ins Auszugshaus räumen und in Ruhe überlegen, welche Möglichkeiten mir noch bleiben.“
„Sie sollten jetzt in London sein, Mylady“, erklärte Mr. Metcalfe. „Die Saison hat gerade begonnen, und sicher können Sie bei irgendeiner Bekannten wohnen und sich mit Gleichaltrigen treffen, wenn Sie schon wegen des Trauerjahres nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.“ „Sie wissen ja“, erwiderte Arletta, „daß Papa testamentarisch verfügt hat, daß niemand um ihn trauern und seinetwegen Schwarz tragen soll.“ Mr. Metcalfe, der das Testament verfaßt hatte, fand, daß diese Verfügung genau zum Grafen paßte. Damals war sie ihm geschmacklos erschienen, jetzt aber, da Lady Arletta sie mit ihrer sanften, melodischen Stimme zitierte, mutete sie ihn grausam an. „Niemand hätte sich aufopfernder für ihn einsetzen können als Sie, Mylady“, sagte er ruhig. „Sie haben ihm die letzten Jahre seines Lebens erträglicher gemacht, und ich kann mir gut vorstellen, was für ein schwieriger Patient er war.“ „Entsetzlich schwierig“, bestätigte Arletta, doch plötzlich lächelte sie und fuhr fort: „Die Ärzte konnten ihm nichts recht machen, und ich auch nicht. Wenn die Schmerzen ihn plagten, bestand wohl sein einziges Vergnügen darin, uns zu piesacken und genau das Gegenteil dessen zu tun, was von ihm verlangt wurde.“ „Ich fürchte, der verstorbene Graf war Zeit seines Lebens ein Rebell“, bemerkte Mr. Metcalfe. „Und ich bin hoffentlich auch einer“, erklärte Arletta mit Nachdruck. Mr. Metcalfe schien darüber ein wenig befremdet, und sie fügte ergänzend hinzu: „Ich möchte mich vom Schicksal nicht unterkriegen lassen, sondern fühle mich jetzt frei und bereit, mein Leben neu zu beginnen.“ Sie brauchte Mr. Metcalfe nicht zu erklären, daß die Betreuung ihres Vaters in dem großen, düsteren Haus, in dem es niemanden gab, mit dem sie reden konnte, ihr das Gefühl vermittelt haben mußte, lebendig begraben zu sein. „Sie haben ganz recht“, bekräftigte er. „Sie sollten endlich einmal an sich denken und sich ein wenig vergnügen. Als erstes sollten Sie sich ein paar hübsche neue Kleider anschaffen. Nichts hebt die Stimmung so sehr wie eine neue Robe, pflegt meine Frau immer zu sagen.“ Lady Arletta lachte. „Mrs. Metcalfe hat ganz recht. Genau das werde ich tun. Sobald ich hier alles erledigt habe, kaufe ich mir ein paar schöne neue Kleider.“ Mr. Metcalfe schob die Papiere auf dem Tisch zusammen und verstaute sie in einer Ledertasche. „Ich glaube, Mylady“, sagte er, „das ist der einzige vernünftige Entschluß, den wir heute nachmittag gefaßt haben. Ich verspreche Ihnen aber, weiter über Ihr Problem nachzudenken, und hoffe, zu einer brauchbaren Lösung zu kommen.“ Das klang zwar sehr überzeugend, aber tief in seinem Innern gestand er sich ein, daß ihm in dieser Familie niemand einfiel, bei dem dieses anmutige junge Mädchen ein angemessenes Zuhause gefunden hätte. Auf dem Weg durch den langen düsteren Gang zur Empfangshalle fiel ihm auf, wie kalt und ungemütlich das große Haus wirkte. Je eher Lady Arletta von hier wegkam, desto besser für sie, dachte er. Sie hatte während des vergangenen Jahres Mühen auf sich nehmen müssen, die selbst für einen jungen Mann beschwerlich und belastend gewesen wären. Da er ihr sehr zugetan war, hoffte er inständig, daß irgendein Wunder geschah und ihr eine glückliche Zukunft beschieden war. Es muß einen Ausweg geben! dachte er auf der Heimfahrt in seiner altmodischen Kalesche, die jedoch von einem jungen Kutschpferd gezogen wurde, das die fünf Meilen von Weir House bis zu der kleinen Stadt, in der er lebte, in kurzer Zeit zurücklegte. Arletta schaute ihm im Schatten der großen Eiche an der Auffahrt nach, bis die Kutsche um die Wegbiegung verschwunden war, dann ging sie ins Haus zurück. Auch sie empfand wie vor ihr Mr. Metcalfe, daß dem Haus eine bedrückende
Atmosphäre anhaftete, die selbst das Sonnenlicht, das durch die Fenster hereinfiel und die Ahnenporträts der Weirs an den Wänden erhellte, nicht abmildern konnte. Alles hätte gründlich gesäubert werden müssen, auch der Treppenläufer, der abgetreten wirkte und seit Jahren hätte erneuert werden müssen. Sie war sich dessen bewußt, daß der neue Graf die ganze altmodische Einrichtung nicht um sich dulden würde. Cousin Hugo hatte ehrgeizige Pläne für den Umbau des Hauses und hielt nichts davon, das Alte zu bewahren und dafür finanzielle Opfer zu bringen. „Ein paar Schulden haben noch niemandem geschadet!“ hatte Arletta ihn einmal sagen hören. Sie war sicher, daß es scherzhaft gemeint war, wußte aber auch, daß er nicht die gleichen ehernen Grundsätze hatte wie ihr Vater, der sich Zeit seines Lebens nicht die geringsten Schulden geleistet hatte. Außerdem war er entschlossen gewesen, alles wiedergutzumachen, was sein Vater verschuldet hatte. Sie war klug genug, um zu erkennen, daß dies die natürliche Reaktion eines Mannes war, der von Kind an erleben mußte, wie sein Vater mehr Geld ausgab, als er besaß, worunter dann der ganze Besitz und seine Bewohner zu leiden gehabt hatten. Dennoch war es für sie kaum vorstellbar, daß die „schlechten alten Zeiten“ zurückkehren könnten und nach all den Jahren der Einschränkung Cousin Hugo sich als ein ähnlicher Verschwender erweisen könnte wie ihr Großvater und das mühsam zusammengekratzte Vermögen zum Fenster hinauswarf. Ich muß so schnell wie möglich weg von hier, nahm sie sich fest vor. Langsam durchquerte sie die Halle, in der sich kein einziger Diener mehr aufhielt, und kehrte in den Raum zurück, in dem sie Mr. Metcalfe empfangen hatte. Es war ein hübsches Zimmer, das nach Süden ging und immer mehr Sonne zu beherbergen schien als die übrigen Räumlichkeiten. Deshalb hatte ihre Mutter es für sich eingerichtet. Sie hatte darin alle leichten, hübschen und meistens französischen Möbel und Gemälde untergebracht, die sie besaß, und damit einen angenehmen Kontrast zu der düsteren hauseigenen Einrichtung geschaffen. Stets hatten Blumensträuße das Südzimmer geschmückt und ihren Duft verbreitet. Ihre lebhaften Farben hatten sich reizvoll von der pastellfarbenen Täfelung abgehoben, die aus der Zeit der Königin Anne stammte. Dieses Zimmer werde ich vermissen, dachte Arletta und blickte zum Porträt ihrer Mutter auf, das über dem Kamin hing. Es war ein gelungenes Gemälde einer hübschen jungen Frau. Arletta sah das Lächeln ihrer Mutter darauf, ihre lebhaft blitzenden Augen, die nicht nur einen wunderbaren Charakter und ihre Persönlichkeit verrieten, sondern auch das französische Blut in ihren Adern, das sie so grundlegend von den Weirs unterschieden hatte, die ihre Ahnenreihe bis in die Zeit der Angelsachsen zurückverfolgen konnten. Es mutete seltsam an, daß ihr Großvater eine Französin geheiratet hatte, und doch glaubte Arletta nicht nur daraus zu erkennen, daß er ein Rebell gewesen war wie ihr Vater. Er hatte bewußt das pompöse Gehabe seiner Verwandtschaft abgelehnt und vielleicht auch die schwere Bürde seines Erbes und die düstere Kälte des Stammsitzes seiner Familie. Ich wünschte, ich hätte Großmutter kennengelernt, dachte Arletta wie schon so oft.  Ihre Mutter hatte ihr immer wieder versichert: „Du gleichst ihr sehr, mein Kleines, und wenn ich dich lachen höre, dann fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt und sehe meine Mutter lachend das Kinderzimmer betreten.“ Arletta schaute das Porträt über dem Kaminsims lange an, dann sagte sie laut: „Du mußt mir helfen, Mama, denn es wird für mich sehr schwierig sein, die richtige Entscheidung für meine Zukunft zu treffen.“ Dann wandte sie sich ab und widmete sich wieder den vor ihr liegenden Problemen.
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