Leben und Schicksale des Katers Rosaurus - oder die kleine Prinzessin und ihre Katze
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Leben und Schicksale des Katers Rosaurus - oder die kleine Prinzessin und ihre Katze

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Publié le 08 décembre 2010
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The Project Gutenberg EBook of Leben und Schicksale des Katers Rosaurus, by Amalie Winter This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.net
Title: Leben und Schicksale des Katers Rosaurus  oder die kleine Prinzessin und ihre Katze Author: Amalie Winter Release Date: June 7, 2008 [EBook #25722] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK LEBEN UND SCHICKSALE ***
Produced by Louise Hope, Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was made using scans of public domain works in the International Children's Digital Library.)
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Stahlstich d. Kunst u. geogr. Anst. v. Serz & Cie
Prinzessin Marie und Rosaurus
Leben und Schicksale
des
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oder
die kleine Prinzessin und ihre Katze.
e
Ein unterhaltendes Lese- und Bilderbuch für Kinder
von
Amalie Winter.
Mit 1 schwarzem und 5 colorirten Stahlstichen.
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Leipzig, 1851. B a u m g ä r t n
Kapitel 1. D i e U e b e
M e i n e Wollt Ihr meine Freude hören, Ruft ein Mädchen voller Lust, Nun ich will sie gern Euch lehren, Hegt sie auch in reiner Brust. Meine Freude sind die Blüthen Und die Blumen groß und klein Die des Himmels Lust und Frieden Durch die weite Schöpfung streu’n. Meine Freuden sind die Thiere, Schäfchen, Biene, Schmetterling. Denn in Gottes Lustreviere Ist mir keines zu gering.
 
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Die kleine Prinzessin Marie war 6 Jahr alt und führte ein glückliches Leben. Alle Welt war ihr gut und Jedermann bemühte sich, ihr Freude zu machen. Täglich wurden kleine Mädchen eingeladen, mit denen sie im schönen Wagen spatzieren fuhr und mit schönen Spielsachen spielte. Die Spielsachen waren aber ganz außerordentlich schön. Sie hatte unter Anderm eine Puppenstube, welche so groß war, daß nicht nur die Puppen, sondern auch deren Besitzerin, nebst zwei ihrer Freundinnen darin Platz fanden. Kanapee, Stühle und der Tisch waren so eingerichtet, daß die Kinder sich ihrer bedienen konnten und oft wurde dort in Gesellschaft der Puppen von verschiedener Größe Chocolade getrunken. Der kleine Hund J wourde beil solchen Gelegenheiten ebenfalls eingelassen und erhielt einen Platz auf dem Kanapee, von wo aus er mit wahrhaft menschlicher Grazie, ebenfalls Chocolade trank und Bisquit fraß. Wenn er sich zuweilen vergaß und sich allzu gefräßig zeigte, so wurde er ernstlich ermahnt und das Prinzeßchen drohte mit dem Finger. Die Puppen waren indeß von verschiedener Größe und von ganz verschiedener Art. Da sah man eine große Puppe als Königin angethan, mit einer goldenen Krone auf dem Kopf und dem Hermelinmantel um die Schultern. Neben ihr saß das Bauermädchen in der Landestracht, mit Bändermütze, kurzem Rock und goldgesticktem Latz. Ein kleiner Knabe und ein kleines Mädchen waren in den kurzen Flügelkleidern und weißen Beinkleidern mit den runden Strohhüten sehr hübsch anzusehen. — Außerdem ab es auch Pu en in Haus- und Ball-Kleidern und alle hatten ihre besondere
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            Garderobe. Viele davon besaßen sehr schönes langes Haar, und es gewährte den Kindern große Freude, solches zu kämmen und zu flechten; andere hatten blos Locken, was ihnen auch sehr gut stand. Alle diese Puppen waren aber, in dem Augenblick wo diese Geschichte beginnt, ganz vergessen und lagen in einer Ecke der Puppenstube über einander gehäuft, denn die Prinzessin hatte kürzlich eine Puppe erhalten, welche alle anderen aus ihrem Herzen verdrängte; das war nämlich eine schöne Wickelpuppe. — Kopf, Arme und Beine waren von Wachs und das Kinderzeug war äußerst vollständig. Es fehlte nicht an Windeln, Stopfläppchen und Wickelschnuren. Die Wickelkissen waren mit Bandschleifen versehen und mit Stickereien garnirt. Die Mützchen waren prächtig, ganz mit Spitzen und Bändern bedeckt. Es gewährte den Kindern große Freude, das Puppenkind zu wickeln und trocken zu legen, herum zu tragen und einzuschläfern, und ihm Brei zu geben, mit dem kleinen silbernen Breilöffel, aus dem vergoldeten Breinäpfchen. Des Abends wurde die Puppe immer in die Wiege gelegt, welche ebenfalls in der Puppenstube stand; und das war eine sehr schöne Wiege von Mahagoniholz, wie nur wenig Menschenkinder sie besitzen. Es schläft sich nun zwar eben so gut in einer einfachen Wiege; aber für die Puppe einer kleinen Prinzessin heißt es doch: „je schöner, je besser“. An dieser Wiege waren nun reiche Vergoldungen angebracht; ein vergoldeter Engel schwebte darüber und hielt in seinen Händen den grünen Vorhang von schwerem rauschenden Seidenstoff: Kopfkissen und Decke waren von rosa Atlas mit Ueberzug von gesticktem Tüll mit Spitzenbesatz. Das schönste Eigenthum der Wickelpuppe war aber das Taufzeug. Es bestand aus einem langen Kleid von Spitzentüll über rosa Atlas. Das Kind lag auf einem Kissen von rosa Atlas und nun gab es Spitzen und Schleifen in Menge. Besonders schön waren die Aermelchen gestickt, und das Mützchen erregte allgemeine Bewunderung. Eine arme Stickerin hatte vier Wochen daran gearbeitet und von dem Lohn, den sie dafür bekam, ihre ganze Familie erhalten. Die Wickelpuppe sah aber in diesem Taufzeug gerade so aus, wie das Prinzeßchen selbst bei der Taufe ausgesehen hatte. „Wir wollen doch Taufens spielen“, sagte L eini es Tagses, als ei ine Gesellschaft kleiner Mädchen bei der Prinzeß versammelt war. Lisi war die älteste von ihnen und pflegte gewöhnlich die Spiele anzugeben. „Wir wollen die Wickelpuppe taufen“, sagte sie, „und ich will der Pastor sein“. Die Kinder nahmen den Vorschlag mit Jubel an; Mademoiselle Gogo, die Bonne, hatte das Zimmer verlassen wegen eines Besuches und hatte die Kinder gebeten, recht still zu spielen; nun! bei der Taufe machte man auch gewiß keinen Spectakel. Lisi wickelte sich in einen schwarzen Shawl und machte sich von Papier Päffchen an den Hals. Ein kleiner Tisch wurde als Altar angeputzt. Nun putzten sich auch die Pathen. Das Prinzeßchen setzte ein Diadem ihrer Mama auf, welches diese wegen dessen Schwere auf einige Stunden bei ihr abgelegt hatte; ein goldgestickter Longshawl ward ihr als Schleppe angemacht. Die kleine D ibefestigate zwei nBlumenakränze der Balldamenpuppe auf den Kopf und band ihren himmelblauen Mantel um die Taille, so daß er hinten Schleppe bildete; die kleine Am hatte eiene Echalrpe voin rosa Felor auf dem Kopfe befestigt und hüllte sich hinein, so daß sie in einem jener Wölkchen zu stecken schien, welche Abends vor Untergang der Sonne so schön roth aussehen. Die lange Je hatte abner die Mnütze deys kleinen Prinzen aufgesetzt, einen Kindersäbel umgeschnallt und ein Paar Vorhangsquasten als Epauletten an die Schultern befestigt und wollte durchaus der Herr Gevatter sein.
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Nun sollte die Taufe losgehen. Lisi hatte nämlich ihr Schwesterchen taufen sehen und nahm sich vor, es gerade so zu machen. Joly mußte sich auf die Hinterpfoten setzen, um das Mützchen zu halten, was damals Lisis Amt gewesen war. Als nun die Vorbereitungen vollendet waren und die Kinder feierlich im Kreise standen, vernahm man plötzlich ein fremdartiges Geräusch, ein Poltern, Miauen, Winseln. Die Kinder wußten gar nicht, was es war, — die Wickelpuppe konnte es doch nicht sein! Das Geräusch kam aus dem Kamin, welches im Sommer zugestellt wurde, damit der Wind nicht herein fauchen konnte. Die Kinder fürchteten sich und flüchteten schreiend und um Hülfe rufend in das andere Zimmer und Joly verfiel in ein fürchterliches Gebell. Ueber dem Lärm kam Mademoiselle Gogo herbei und frug, was es gäbe? Als die Kinder von dem Spektakel im Kamin erzählten, schüttelte sie bedenklich den Kopf; sie wußte nicht recht, ob es gerathen sei, das Kamin zu öffnen, es konnte ja eine Eule oder ein Uhu hineingeflogen sein; diese Vögel haben aber große Schnäbel und pflegen damit um sich herum zu hacken; es konnte auch eine Fledermaus sein und Mademoiselle Gogo fürchtete sich vor Fledermäusen. — Alles stand um das Kamin in horchender Stellung. — Ach, die Töne waren so leise, so hülfebedürftig, man mußte ahnden, daß ein Geschöpf Gottes sich sehr unbehaglich darin fühle. Lisi riß geschwind das Kamin auf und siehe, da lag ein kleines allerliebstes Kätzchen. Es konnte kaum 14 Tage alt sein und gefiel den Kindern ungemein. Es war ein buntes Cypernkätzchen. Es hatte einen langen Schwanz, den es anmuthig bewegte, kurze Ohren, die es klug zu spitzen wußte und ein Fellchen, so weich und glatt wie Seide. Dabei schnurrte es äußerst lieblich und schien sich im Schooß des Prinzeßchens sehr wohl zu befinden. Die Kinder holten Milch herbei und es leckte dieselbe mit seinem rosarothen Züngelchen. Man sah es ihm an, daß es ihm gutschmeckte. — Die Kinder hatten sich um das Prinzeßchen herumgekauert, um den kleinen Ankömmling recht betrachten zu können; alle waren davon entzückt, nur nicht Joly, welcher zur Thüre hinaus gebracht werden mußte, da er Lust zu haben schien, das arme Kätzchen zu beißen und aufzufressen.
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Das Kätzchen wird im Kamin entdeckt.
Als Lisi aber die Freundinnen aufmerksam machte auf die Sammetpfötchen des Kätzchens und auf deren rosarothe Sohlen, wurden die Bedienten zum Abholen gemeldet und man mußte sich trennen. Das Kätzchen war im Schooß des Prinzeßchens eingeschlafen, und wir wollen es schlafen lassen, um zu erforschen, wie der kleine Gast eigentlich in das Kamin gekommen war.
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Kapitel 2. e d a
In Sonnenschein — In dunkler Nacht Für Mensch und Thier Gottes Auge wacht.
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Die Art und Weise, wie das Kätzchen in’s Kamin gelangt war, gewährt dem aufmerksamen Leser einen Blick in die traurigen Familienverhältnisse der Katzen. Bei dem Vogelgeschlecht ist das Männchen dem Weibchen beim Nestbauen, Brüten und Füttern der Jungen behilflich. Der liebenswürdige Gatte der Nachtigall singt seinem brütenden Weibchen vor und erfreut durch seine herrlichen Liebestöne das Ohr des lustwandelnden Menschen. Auch bei manchem vierfüßigen Thier findet man väterliche Zuneigung und Fürsorge für die Jungen; aber bei den Katzen ist das nicht der Fall. Mancher Katzenpapa hat sogar die schlechte Gewohnheit, seine Kleinen zu fressen. Vielleicht hält er sie für Mäuse oder Ratten; vielleicht haßt er sie, weil sie die Katzen zu sehr beschäftigen und von den Mondscheinpromenaden auf den Dächern, vom Besuch der Katzengesellschaften und von der Theilnahme an den herrlichen Katzenconzerten, deren Ihr, lieben Kinder, gewiß schon oft gehört habt, abhalten. Kurz, der Kater frißt seine Jungen und die liebende Katzenmama ist genöthigt, dieselben gegen ihn zu vertheidigen oder vor ihm zu verbergen. Das thut sie nun so gut sie kann, indem sie sich zu ihrem Wochenbett Stellen aufsucht, wo Niemand so leicht hinkommt. Kätzchens Mutter war nun niemand Anders als Mies Mies, die Hofkatze, und sein Vater, der sehr ehrenwerthe Hofkater, Namens Murr. Beide Eltern erfreuten sich einer sehr einträglichen Anstellung bei der Küche und erhielten eine reichliche Besoldung an Hühnerknochen und Fischgräten, die sie blos mit dem Hofraben zu theilen hatten. Mies Mies fand indeß noch nebenbei Gelegenheit, manche verhungerte Stadtkatze zu unterstützen, denn Mies Mies hatte ein gutes Herz; aber der Kater Murr und der Hofrabe Hans wollten das nicht leiden und scharrten in die Erde, was sie nicht fressen konnten, lieber, als andere Thiere damit zu erfreuen. Man hätte nun meinen sollen, bei so reichlicher Kost würde der Vater seine Kinder verschonen, aber nein! er hatte von Zeit zu Zeit förmlich Appetit nach jungen Kätzchen und auch der Hofrabe liebte solche zu verspeisen. Mies Mies kannte alle diese drohenden Gefahren und war ernstlich darauf bedacht, ihre Kinder denselben zu entziehen. Mies Mies hatte auch ein Gespräch der Schloßmagd und des Schloßvoigts belauscht, worin diese sich vornahmen, keine jungen Kätzchen mehr im Schloß zu dulden, weil solche Unreinlichkeiten verursachten; alle Kinder der Mies Mies sollten künftighin ersäuft werden. Man kann sich denken, wie das Herz der armen Hofkatze schlug, als die Stunde nahte, wo sie Mutter werden sollte. In ihre traurigen Gedanken vertieft schlich sie auf einem vorragenden Haussims, in den Fenstern der fürstlichen Gastzimmer vorüber und bemerkte, daß der Wind eines dieser Fenster aufgerissen hatte, ohne daß irgend Jemand es bemerkt zu haben schien. Im Fremdenzimmer stand aber ein Himmelbett mit blauseidenen Vorhängen, worin schon Fürsten und Grafen geschlafen hatten; das mußte sich vortrefflich zum Wochenbett eignen, es war ganz so weich und sanft, wie Mies Mies es für ihre jungen Kätzchen nur wünschen konnte; sie schlüpfte also zum Fenster hinein, sprang auf das Bett, wühlte mit ihren Pfoten eine Art von Nest zwischen Kopfkissen und Plümeau, und sah sich bald von drei allerliebsten Kätzchen umgeben, die sie auch während neun Tagen ungestört säugte. Nur ein Mal täglich verließ sie ihre Kinder, um selbst Nahrung einzunehmen; das that sie aber nur in der Nacht, damit Niemand erspähen möge, wohin sie ihre Schritte wendete. Die Kätzchen pflegen bis zum neunten Tag blind zu sein, bis dahin leiht die sorgsame Mutter ihnen ihr Auge und wacht über sie. Mies Mies erwartete stündlich, daß ihren Kindern das Licht auf ehen werde und hatte fleißi die
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           geschlossenen Augen geleckt, um ihnen das Aufschlagen derselben zu erleichtern. Da vernahm sie eines Tages ein Geräusch an der Thür; ein Schlüssel wurde in’s Schlüsselloch gesteckt, das Schloß gedreht, die Thür ging auf und herein trat die entsetzliche Schloßmagd, mit einem furchtbaren Besen an einem langen, langen Stiel. Mies Mies befahl ihren Kindern ganz still zu sein; sie hoffte, die Hofmagd würde nur kehren und nicht das Bett machen; ängstlich blinzelte sie durch die Spalten des Vorhangs und verfolgte jede Bewegung der Entsetzlichen. Ach — all ihr Hoffen war vergeblich! — Es waren Gäste angesagt und die Fremden-Zimmer und Fremden-Betten mußten in Ordnung gebracht werden. Eine kräftige Hand riß den Vorhang auseinander und das Plümeau in die Höh’! Welch eine Unthat war da geschehen! — Die Schloßmagd erhob einen gewaltigen Lärm; sie schrie und tobte gegen die Katze, sie schimpfte und drohte sie zu verderben mit ihrer ganzen Brut. Mies Mies ließ sich aber nicht so leicht einschüchtern, sie machte wahre Tigeraugen; sie zischte, knurrte, pustete, machte einen furchtbaren Katzenbuckel und schien sich zu einem gewaltigen Sprung nach dem Angesichte der Schloßmagd zu rüsten; dabei bewegte sie ihren Schwanz wie eine Löwin und zeigte ihre spitzen, scharfen Zähne wie ein Leopard. Sie erschien in ihrer muthigen Mutterliebe so furchtbar, daß der Schloßmagd ganz angst und bange wurde für ihre Augen und für ihre rothen Wangen und sie davon eilte, um den Schloßvoigt als Beistand herbei zu rufen. Frau Mies Mies war indeß nicht so dumm, diesen Beistand abzuwarten; sie dachte: wenn der Schloßvoigt und die Schloßmagd sich mit ihren Besenstielen über mich hermachen, dann bin ich mit meinen lieben Kleinen verloren, da geht es uns schlecht. — Sie beschloß also, so schnell als möglich ihre Kätzchen hinweg zu tragen und ihnen ein anderes Unterkommen zu suchen. So nahm sie denn ein Kätzchen in’s Maul und trug es auf’s Dach; dann holte sie das zweite, dann das dritte, und als die Hofmagd und der Hofknecht kamen, fanden sie das Bett leer. Dasselbe sah aber nicht reinlich aus und der Hofknecht hielt sich die Nase zu und lief so schnell als möglich davon. Nun ergriff Mies Mies wieder das Kätzchen, das sie zuerst auf das Dach niedergelegt hatte; sie, deren Zähne so scharf für die Mäuse waren, sie wußte dieselben ganz stumpf zu machen, damit ihr Kind den mütterlichen Zahn nicht fühlte. Sie trug es nach einer Bodenkammer, wo sie sich eines alten Strohsacks erinnerte; dort waren die Kleinen zwar nicht so weich und vornehm gebettet, wie früher, doch sicher vor Störung. Dann holte die Mutter das zweite Kind — unser Kätzchen war aber das dritte, welches bis zuletzt warten mußte. So lag es denn allein auf dem Dache; es war bis jetzt noch blind gewesen und wußte eigentlich nicht, was man mit ihm vorgenommen hatte; es fror und ihm war ganz unheimlich zu Muthe; da berührt ein Strahl der scheidenden Sonne das arme Thier und suchte dessen geschlossenes Auge, welches sich plötzlich öffnete und zum ersten Male das Licht der Welt erblickte. Kätzchen verfiel darüber in ein ungeheures Nießen und gerieth durch diese Bewegung in’s Rollen; es rollte vom Dachgiebel herab, immer weiter, immer weiter; es wäre bis in den Schloßhof gerollt, wenn das Kamin es nicht aufgenommen hätte. So kam es denn in des Prinzeßchens Zimmer und gewiß in sehr gute, liebevolle Hände.
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Kapitel 3. W i e d i e K i
Quäle nie ein Thier zum Scherz, Denn es fühlt wie Du den Schmerz.
Kätzchens Ankunft war eine große Freude für die Kinder und besonders für Prinzeß Marie. Wenn sie früh aufwachte, mußte man ihr das kleine Thier ins Bett bringen, wo sie ihm das Frühstück gab, welches aus Milch und Bisquit bestand. Joly, der oft eifersüchtig war, wurde ohne Erbarmen geschlagen und in die Bedientenstube verwiesen, wenn er sich neidisch zeigte und dem Kätzchen etwas anhaben wollte. Kätzchen fühlte sich auch bald heimisch in dem blauen mit Sternen besäeten Zimmer, man merkte es ihm an, daß es in einem Himmelbett zur Welt gekommen war; denn nichts erschien ihm zu gut, um es zu benutzen. Das Prinzeßchen wollte auch mit nichts Anderem mehr spielen als mit Kätzchen. Trotzig stand die schöne große Puppen-Königin in der Ecke, seit 8 Tagen war ihr starkes Haar nicht gebürstet und geflochten, ihr Staat nicht gewechselt worden. — Gabriele, die Balldame, lag eben so lang   schon im Himmelbett in der Nachtjacke und niemand dachte daran, ihr nur ein einziges Mal die Augenlieder aufschlagen zu lassen, unter welchen doch so schöne blaue Glasaugen ruhten. Unter dem Tisch lag aber die Wickelpuppe noch im Taufstaat, denn sie hatte ihre schöne Wiege dem Miaukätzchen einräumen müssen. Die Puppenstube befand sich aber in großer Unordnung, weil Miaukätzchen alles darin herumgeworfen hatte; der Kronleuchter war zertrümmert, die hübschen Nippsachen zerbrochen und die kleine Uhr von Marzipan sah gar nicht mehr aus wie eine Uhr; denn Miaukätzchen hatte die süßen Bestandtheile derselben entdeckt und häufig daran geleckt. Kätzchen durfte sich auch alle möglichen Freiheiten nehmen. Wenn die Fürstin durch das Zimmer ging mit dem Schleppkleid, sprang es auf die Schleppe und ließ sich spazieren fahren. Wenn Prinzeßchen mit dem Batisttuch wedelte, haschte Kätzchen danach und hing sich mit seinen kleinen Krallen in dessen Spitzen, welche natürlich darunter litten. Mademoiselle Gogo pflegte in einem Lehnsessel Platz zu nehmen, wenn sie das Prinzeßchen an- oder auskleidete; dann hüpfte Kätzchen auf die Lehne. „Kätzchen sieht zu“, sagte Mademoiselle Gogo, und sie meinte, das könne Prinzeßchen vermögen, hübsch still zu halten. Das war aber eines Tages gar nicht der Fall und Mademoiselle Gogo schüttelte unzufrieden das Haupt, so daß die rothen Mützenbänder wackelten, und da Kätzchen meinte, alles was sich bewege, wolle mit ihr spielen, Wupp! war es auf Mademoiselle Gogos Kopf gesprungen und hatte die rothen Schleifen in den Klauen. Mademoiselle Gogo fiel aber beinahe in Ohnmacht vor Schrecken und das Prinzeßchen konnte vor Lachen vollends nicht still halten; aber das war auch nicht nöthig, denn die gute Mademoiselle Gogo lachte gleich darauf von ganzem Herzen mit. Joly pflegte sein Frühstück und Mittagsmahl beim Kamin in des Prinzeßchens Zimmer zu erhalten, und Kätzchen, obgleich es schon ganz gesättigt war, fühlte stets Appetit danach und naschte davon. Wenn nun der arme zurückgesetzte Joly sich darüber erzürnte, zu bellen anfing und Kätzchen wegjagen wollte, be ann dasselbe zu usten und zu drohen und mit ihren Sammet fötchen
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          Ohrfeigen auszutheilen, so daß Joly das Schwänzchen einzog und queilte und unter das Kanapee flüchtete. Kätzchen war noch gar nicht gut erzogen und pflegte oft die schönen Teppiche zu verunreinigen; Mademoiselle Gogo machte eine Ruthe, um es zu strafen, aber Prinzeßchen bat immer vor und wenn alle Welt sich die Nase zuhielt, meinte sie immer, es sei die Resede, welche so stark dufte — und da gab es auch manche Leute, welche das wirklich zu glauben schienen. Eines Tages wurden wieder die guten Freundinnen zu Chocolade gebeten und alle freuten sich sehr am Kätzchen und spielten mit demselben auf alle mögliche Weise. Sie bliesen eine Marabout-Feder in dem Zimmer umher und Kätzchen haschte danach; dann kullerten sie Bälle, ließen ein wächsernes Mäuschen mit einem Uhrwerk umher laufen; banden eine kleine Puppe an einen Bindfaden und ließen sie tanzen. Kätzchen machte die wunderlichsten Sprünge bei solchem Spiel und legte eine wahre Katzengrazie an den Tag. Eine berühmte Tänzerin soll eine Katze als Vorbild genommen haben für ihre Pas’ und Bewegungen und unser Kätzchen hätte wirklich Tanzstunde geben können. Zuletzt setzten die Kinder dem Kätzchen einen Federhut auf und zogen ihm einen Puppenüberrock an, was sich Kätzchen gefallen ließ, und die Kinder waren ganz vergnügt dabei. Endlich frug Lisi: „wie heißt denn das Kätzchen?“ und alle waren erstaunt, daß es noch keinen Namen hatte. „O wir sollten es taufen, wie neulich die Wickelpuppe, das war doch ein gar zu hübsches Spiel“, sagte Lisi und Prinzeßchen klatschte vergnügt in die Hände. „Das ist prächtig! das ist allerliebst!“ riefen die Kinder. „Wir kleiden Kätzchen in das Taufzeug der Wickelpuppe“, sagte Diane und Kätzchen mußte das Schleppkleid anlegen und wurde auf das rosa-atlas Kissen festgebunden; dabei schien es sich indeß nicht so behaglich und unterhaltend zu fühlen wie bei den anderen Spielen; es war indeß gehorsam und lag ganz still, während die Pathen sich putzten. Es war ja festgebunden. Das Prinzeßchen schmückte sich wieder mit dem goldgestickten Shawl, Diane mit dem blauen Mantel, Amelie mit dem rosa Schleier, Lisi kleidete sich als Pastor und die lange Jenny erschien wieder als Herr Gevatter. Wir haben bis jetzt noch nicht viel von der langen Jenny gesprochen und das aus guten Gründen. Es ist nicht angenehm, von unartigen Kindern sprechen zu müssen, und die lange Jenny war ein unartiges Kind. Freilich konnte sie nichts dafür; denn sie hatte ihre Mutter sehr früh verloren und wurde vom Vater und von der ganzen Dienerschaft verzogen, welche über ihre Unarten lachten und ihr allen Willen thaten. Sie war 8 Jahr alt und so groß wie ein 10jähriges Mädchen; aber in der Schule wußte sie nicht mehr als die sechsjährigen, und da sie nie ihre Aufgaben machte, mußte sie immer im Winkel stehen. Bei den Kindergesellschaften störte sie gern das Spielen, auch erregte sie immer Zank und man hatte sie nicht lieb und lud sie selten ein; heute war sie aber eingeladen worden. „Wie soll das Kätzchen heißen?“ frug Lisi. „Krallkätzchen!“ rief Jenny schnell. „O nicht doch,“ erwiederte das Prinzeßchen, „das würde ja Kätzchen an seine einzigen Fehler erinnern.“ „Schwanzelius,“ meinte Diane, „wegen des schönen Schwanzes, den es so anmuthig zu bewegen weiß.“
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„Scheckchen,“ sagte Amelie. „Kätzchen ist ja so scheckig wie die jungen Kastanien, die wir zuweilen aus den grünen Schalen pochen.“ Prinzeßchen wollte aber von all diesen Namen nichts wissen. „Ich dächte,“ meinte Lisi, „wir tauften Kätzchen Röschen, wegen des hübschen rosarothen Schnäuzchens, was es hat.“ „Ja,“ sagte Prinzeßchen, „Kätzchen ist aber ein Kater und darf doch nicht einen weiblichen Namen haben. Auch wird das liebe Thier, wenn es so groß und dick ist wie Murr, der Hofkater, nicht gut Röschen genannt werden können.“ „Nun,“ sagte Lisi, „so wollen wir es denn Rosaurus taufen; — so lang es jung ist, rufen wir es Röschen, und wird es alt und häßlich, so kann es Saurus genannt werden.“ Damit waren die Kinder einverstanden und die Taufe begann. Die Pathen stellten sich im Kreise auf, wie damals, als die Wickelpuppe getauft werden sollte. Dem Joly wurde indeß die Demüthigung erspart, seinem Feind das Mützchen zu halten und er durfte im Lehnstuhl schlummern. Lisi begann: „Rosaurus, du sollst nicht wie die andern Katzen, arme kleine Vögel verspeisen; du sollst sie nicht aus ihren Käfigen herauskratzen mit grausamer Blutgier, worüber die Kinder, denen sie gehören, dann so bitterlich weinen; du sollst nicht die jungen Vögelchen aus den Nestern holen, daß die Alten pipen und klagen über ihre unglücklichen Kinder. Rosaurus, du sollst auch nicht die weißen Mäuschen verfolgen, welche bei Nacht lustwandeln und durch die rothen Augen und hellen Fellchen sich im Dunkeln verrathen; Rosaurus, du sollst auch die andern Mäuse ungestört knuppern lassen an Wurst und Speck, an Zucker und Bisquit. Deine Pathen versprechen, dich recht gut zu erziehen und dir immer so viel Bisquit und Braten zu geben, daß du gar nicht an lebendige Leckerbissen denken kannst. Du sollst durch die Liebe und Fürsorge deiner Pathen aus einem wilden Raubthiere, aus einem blutdürstigen Hausthiere, in eine edle, sanftmüthige Schooßkatze umgewandelt werden.“ — So weit war Lisi in ihrer Rede gekommen, als sie plötzlich unerwarteter Weise unterbrochen ward. Jede Gevatterin hatte nämlich während der Rede den kleinen Katzen-Täufling einige Secunden auf dem Arm gehalten, wie das bei Lisis Schwesterchen auch geschehen war, und das Kind hatte ganz still auf dem Rücken gelegen und nur zuweilen mit den halbzugekniffenen Aeugelein geblinzelt. Als nun die lange Jenny an die Reihe kam, fing diese an es heftig zu wiegen, so daß der kleine Rosaurus unruhig ward. „Ich möchte wohl,“ dachte Jenny, „daß der Balg etwas schrie, er führt sich gar zu langweilig auf. Während sie nun in scheinbarer Freundlichkeit das Gesicht über ihn beugte, fuhr sie mit der Hand unter das lange Schleppkleid und kniff Kätzchen recht tüchtig in den Schwanz. Kaum war das aber geschehen, als der kleine Täufling ein durchdringendes Geschrei ausstieß und in der höchsten Wuth nach Jennys Gesicht sprang; es biß sie in die Nase und schlug beide Vorderkrallen in ihre Wangen, so daß sie vor Schreck das Kissen fallen ließ. Das war Kätzchen eben recht, es schlüpfte heraus aus den seidenen Fesseln und er riff die Flucht; dabei über urzelte es sich eini e Mal, weil das lan e
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