Indische Sphären
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Description

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts galt das Mythische als etwas Überwundenes, Gegenstand geschichtlicher Beratung, abgetan als Element des Erkennens vor dem Walten des rationalen Geistes. Aber seine Kraft, das Leben durch Gestalten und Bilder zu deuten, scheint zeitlos. Seit vier Jahrzehnten ist es in unserem Denken mit Leitbildern und Sinnzeichen wieder vielfältig lebendig. Eine ganze neue Seelenkunde holt sich ihr Pathos aus seinen Figuren und Situationen. Sei sie wie immer, ihr rationaler, positivistischer Klärungswille zieht die Hälfte seiner Wachstumskraft, mehr als sein halbes Vertrauen aus dem alten Boden mythischer Sinnbilder, und der Mythos bewährt an ihr seine zeitlose Lebendigkeit, seine immer gewandelte Nährkraft und seine unerschöpfte Faszination.



INHALT :


- Der Indische Mythos


- Der Brauch der Fische : Altindische Politik und der Geist des Abendlandes


- Yoga und Māyā


- Buddha

Sujets

Informations

Publié par
Nombre de lectures 0
EAN13 9782384550142
Langue Deutsch

Informations légales : prix de location à la page 0,0015€. Cette information est donnée uniquement à titre indicatif conformément à la législation en vigueur.

Extrait

Indische Sphären
YOGA UND BUDDHISMUS


HEINRICH ZIMMER

ALICIA EDITIONS
Inhalt



Der Indische Mythos

Der Brauch der Fische

Yoga und Māyā

II

III

IV

Buddha

Der Indische Mythos

S eit längerem schon, seit der Epoche zu unserer Dichtung, die man sehr unzulänglich »Neu-Romantik« zu nennen pflegt, seit dem letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts ist bei uns wieder in wachsender Breite Gutes und Helles über Mythos und mythisches Denken gesagt worden. Wir stehen, wie in der Zeit der großen Romantik, in einer dauernden Welle der Aufgeschlossenheit dem Mythischen gegenüber; der Stoff der großen Ernte in Völkerkunde und Religionsgeschichte wandelt sich zu Geist.
In der Mitte des vorigen Jahrhunderts galt das Mythische als etwas Überwundenes, Gegenstand geschichtlicher Beratung, abgetan als Element des Erkennens vor dem Walten des rationalen Geistes. Aber seine Kraft, das Leben durch Gestalten und Bilder zu deuten, scheint zeitlos. Seit vier Jahrzehnten ist es in unserem Denken mit Leitbildern und Sinnzeichen wieder vielfältig lebendig. Eine ganze neue Seelenkunde holt sich ihr Pathos aus seinen Figuren und Situationen. Sei sie wie immer, ihr rationaler, positivistischer Klärungswille zieht die Hälfte seiner Wachstumskraft, mehr als sein halbes Vertrauen aus dem alten Boden mythischer Sinnbilder, und der Mythos bewährt an ihr seine zeitlose Lebendigkeit, seine immer gewandelte Nährkraft und seine unerschöpfte Faszination.
Nicht anders erging es noch Hegel, als er den weltgeschichtlichen Gang der Menschheit logisierend nachzeichnete. Er belebte alten Mythos neu, indem er sein Sinnbild deutend in sich aufnahm. Am Eingang des Griechenkapitels seiner »Philosophie der Geschichte« tritt der ägyptischen Sphinx mit ihrem Rätsel in Ödipus der griechische Mensch gegenüber. Mit der Lösung des Rätsels, dessen Sinn der Mensch ist, stürzt er den tierhaft-göttlichen Dämon, Sinnbild endender Weltzeit, in den Abgrund des Gewesenen und bringt den Menschen als das neue Maß der Dinge herauf. – »Die Lösung«, sagt Hegel, »und Befreiung des orientalischen Geistes, der sich in Ägypten bis zur Aufgabe gesteigert hat, ist allerdings dies: daß das Innere der Natur der Gedanke sei, der nur im menschlichen Bewußtsein seine Existenz hat.«
Großartig tritt hier der alte Mythos, Weltalter und -räume scheidend, Weltschicksal bezeichnend, an den Anbeginn der Weltzeit griechischer Selbstbesinnung, die noch die unsere ist. Welch bedeutende Sinngebung im weiteren geschichtlichen Blick erfährt die dunkle alte Sage, dieses grausame tiefsinnige Stück alter Familiengeschichte frühgriechischer Herrscher von Theben ... – Hegel deutet an ihrer alten Hieroglyphe, wie vor ihm Sophokles im jungen demokratischen Athen; Ödipus wird zum Sinnbild in seiner aktuellen geschichtsphilosophischen Periodisierung, wie er dem tragischen Dichter der Perserzeit Träger religiöser Problematik ward. Dabei ist schon Sophokles der geschichtlichen Sphäre des archaischen Familienwirrsals vergleichsweise ferner als etwa unser Schiller seinem Stoff, wenn er den Zwist zwischen Vater und Sohn im Haus des spanischen Philipp zum Gefäß der Freiheitsideen von 1789 macht.
So steht der Mythos immer bereit mit anscheinend unerschöpfbaren Möglichkeiten, Sinnbild, Gefäß zu sein der Geisterkämpfe, Schicksalsentscheidungen und -deutungen aller Zeiten, keinem Denken feind, allem offen, das die eigene Problematik in seinen Gestalten zu sehen vermag.
Auch Epochen, die dem Mythischen am fernsten scheinen, indem sie den Sieg des Rationalen feiern, Völker, deren nüchterne Helle seinem Tiefendunkel widerstrebt, sehen den Wettlauf in seinem Spiegel. Ovid verwandelt, was Orient und Hellas als Sinnbilder göttlichen Naturgeschehens, heroischen Menschenloses wissen, in wunderliche Spiele; Molière nimmt Alkmenes Schicksal aus der Königsgeschichte des alten Theben, die Liebe des Gottes zum sterblichen Weib, Trug und Wunder, zum durchsichtigen Maskenspiel der Galanterien des Sonnenkönigs – für eine Fabel mit höfischer Moral an die Adresse unfreiwillig begnadeter Ehegatten, wie Herr von Montespan einer war: »le grand dieu Jupiter nous fait beaucoup d'honneur, ... mais enfin coupons aux discours, ... sur telles affaires le meilleur est de ne rien dire«.
So dient der Mythos Amphitryon von Kleist bis Giraudoux zum Spiegel der Besinnung in Ernst und Witz, so greift die soziale Parodie in Offenbach zum Mythischen, wie in Racine die Feier der Leidenschaft nach seiner tragischen Maske langt.
Es ließe sich eine Betrachtung denken, ein Buch, das die immer wechselnden, beinahe allseitigen Funktionen des mythischen Elements im Denken und Gestalten des Abendlandes zu seinem Gegenstande nähme, seine proteische Wandlungskraft, allem zu dienen, von den Zeiten streng mythischen Denkens bis auf uns: der Philosophie wie bei Hegel (oder bei Schelling und Hebbel), der Heilkunde wie heut, dem Sozialen bei den Franzosen, dem menschlichen Geheimnis bei Kleist, dem Sittlichen und allen großen Mächten bei Goethe in Iphigenie, Pandora, Helena und ihren Geschwistern. – Ein Buch, verlockend und tief – auch weil es einstweilen nur unsere Idee ist. Aber den ganzen Reichtum des Abendlandes an Schicksal und Einsicht könnte es spiegeln –, und ein anderes Buch, das es auch nicht gibt, könnte ein Gleiches für Indien unternehmen. Der ganze große Gegensatz beider Kulturkreise könnte dann am Vergleich der unterschiedlichen Rollen und Aufgaben, die Mythisches hier und dort gefunden hat, mit bildhafter Kraft in die Augen springen.
Das Buch über die wechselnden Lebensschicksale und -aufgaben des indischen Mythos gibt es einstweilen so wenig wie das westliche; aber was einige seiner Seiten enthalten könnten, läßt sich im Geist aufblättern.
Es gibt Mythen voller Dunkel. Sie scheinen eine Vergangenheit zu haben, die sie selbst nicht mehr wissen, von ihr her sind sie mit Sinn beladen, den sie nicht mehr sagen können. Was sich an ihnen deuten läßt, scheint ihnen erst neuerlich aufgeprägt als Sinngebung einer neuen Epoche, an einem Wendepunkt ihres Wandels durch die Zeit. – Daneben sind andere, geheimnislose – man meint sie an ihrem Ursprung selbst zu greifen. Aber wie sie fühlbar keine Vergangenheit haben, scheint ihnen auch keine Zukunft offen, in der sie sich auswüchsen als wandelbare Träger wechselnden Sinnes.
Von den Veden her sind im brahmanischen Indien Bräuche im Schwange, die den Knaben mannbar machen: der Bart wird ihm zum erstenmal geschoren, und der als Kind nackt herumlaufen mochte, bekommt sein erstes Männergewand. Die Götter selbst schenken es ihm, seine Blöße zu decken. Dazu wird ein Mythos erzählt, warum der Mensch des Kleides bedarf, und warum die Götter es ihm schenken. Der Mensch ist in Indien ein Geschöpf wie andere, nicht Tier unter Tieren, denn er kann mehr sein als sie, aber er ist auch nicht einziges Abbild des Göttlichen wie Adam. Darum ist es wunderbar, daß er allein unter allen Geschöpfen ein Kleid trägt, das ihm nicht anerschaffen ist von Natur. Seine Eigenart hat ihre Geschichte, die sie erklärt. Es heißt: »Was nämlich das Fell des Rindes ist, das war anfänglich am Menschen. Die Götter sprachen, ›das Rind fürwahr trägt (oder erhält) alles hier‹« – das sprechen die Götter dem rinderzüchtenden Arier nach – »›wohlan, wir wollen das Fell, das am Menschen ist, auf das Rind legen. Dank seiner wird es den Regnenden, dank seiner den Reif, dank seiner die Hitze ertragen‹. Sie häuteten den Menschen ab und legten sein Fell auf das Rind. Dank seiner erträgt das Rind den Regnenden, dank seiner den Reif, dank seiner die Hitze. Abgehäutet fürwahr ist der Mensch. Darum kommt bei ihm, wo immer ihn Schilfgras oder etwas anderes schneidet, Blut hervor. Daher legten sie dies Fell auf ihn: das Gewand. Darum trägt keines außer dem Menschen Gewand. Darum eben soll er trachten, schön gewandet zu sein. Nicht aber soll er vor dem Rinde nackt sein. Denn das Rind weiß, ›ich trage sein Fell‹, es zittert in Furcht, ›er wird mir das Fell nehmen‹.«
Solche Mythen ohne Dunkel gibt es in aller Welt ohne Zahl. Sie erklären, warum die Dinge sind, wie sie sind. Sie haben ihre Geschichte: die gilt es nur herauszufinden in Intuition – zu erfinden. Sie ist gültig, wenn sie vieles plausibel macht – etwa auch, was hier nicht gesagt ist, warum das Rindsfell, das Leder, so haltbar ist –: es ist ja eigentlich doppelt. Denn es heißt ja nicht, daß die Kuh ohne Fell war, als die Götter um ihretwillen den Menschen abhäuteten – aber die Allernährende sollte geborgener sein als andere Geschöpfe.
So dient der Mythos am Anfang indischer Überlieferung den Brahmanen der Veden zu Natur- und Welterklärung. Phantasievoll und rationalistisch zugleich deutet er das So-sein der Dinge aus einer besonderen Herkunft. Die priesterliche Universalwissenschaft der Zeit, die opfern und bitten kann, beschwören und zwingen, verwünschen, hexen und heilen, die über alles Lebendige gebieten will, über Kräfte, Geschöpfe, Dinge, die alle gleich lebendig-personhaft sind, findet im Mythischen ihre Bedeutung. Der Erfolg der Magie bestätigt praktisch ihr Gelten, der Mythos erklärt Zusammenhänge und Eigentümlichkeiten, er ist das theoretische Element. Er gibt der traditionellen Übung der Bräuche die Sicherheit, warum sie geschehen, gibt ihr die Sicherung durch Wissen oder Scheinwissen um das Geheimnis der Kräfte, die im Spiele sind. Er beglaubigt die magische Technik, wie unsere Wissenschaft die rationale. Beglaubigt ferner ihre Verfahren und sein Wissen durch Herleitung von den Göttern. Früher als die Menschen haben die Götter erkannt, gewußt und getan. Sie sind die größeren Magier, Vorbilder der »Götter auf Erden«, der Brahmanen, die von ihnen die Allmacht des Zauberns lernten und jetzt freilich selbst die Götter zu zwingen vermeinen.
Brauch, der gilt, kommt von den Göttern, und Mythos erzählt, wie das geschah. Das Feuer hat die Kraft, den Toten himmelauf zu tragen zu seligem Leben bei den Göttern. Selige selbst, Gandharven – wer anders hätte es vermocht

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