Dem Alltag auf der Spur
129 pages
German, Middle High (ca.1050-1500)

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Description

Im Alltag dokumentiert sich, was sich in der Gesellschaft abspielt. Die Soziologie des Alltags beschreibt, wie Menschen handeln und welche Kontexte dabei mitwirken. Dieser Band vereint Texte von Mitarbeitenden des Seminars für Soziologie der Universität Basel, vom emeritierten Geschichtsprofessor Heiko Haumann sowie von Studierenden, die im Herbstsemester 2015 an zwei Lehrveranstaltungen von Ueli Mäder teilgenommen haben. Gerade ihre Beob-achtungen im Kapitel ''Forschungshefte'' legen in essayistischer Form die Bedeutung des genauen Blicks auf alltägliche Strukturen offen. Sie markieren den Anfang einer methodischen Auseinandersetzung mit dem, was das menschliche Zusammenleben bestimmt und prägt.Der Fokus dieses Bandes richtet sich auf den Umgang mit Macht und Ohnmacht. Und auf die Frage, ob und wie sich gesellschaftliche Verhältnisse in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts ökonomisieren. Die Alltagsbeobachtung und damit die Alltagsforschung sind in der zunehmend reizüberfluteten Welt der Informationsgesellschaft von enormer Bedeutung. Dies mahnt uns, die Augen offen zu halten und nicht nur dem zuzuhören, was von aussen auf uns einströmt, sondern auch dem, was es in uns auslöst. Hier nimmt die Reflexion ihren Anfang. Denn wer genau hinschaut, sieht mehr: Das gilt für SoziologInnen genauso wie für SchriftstellerInnen und JournalistInnen, zu deren Handwerk es gehört, den Alltag zu erfassen und hinter die Kulisse dessen zu blicken, was die Mechanismen sozialen Wirkens übertönt.Die Beiträge heissen unter anderem: ''Kritik des Alltags: Ritual und Taktik'', ''Design im Alltag: Manifestation am Durchgangsort'', ''Postpolitischer Pfeiler: Der Roche-Turm in Basel'', ''Rollenwechsel: Papa in der Spielgruppe'', ''Macht und Ohnmacht in der Sozialen Arbeit'', ''Dem Alltag auf der Spur'', ''Der Sturz: ''Oje, das kostet wieder'''', ''An der Kasse scheiden sich die Klassen'', ''Ohnmachtsraum öffentliche Toilette'', ''Alltag in der WG - Macht und Dulden'', ''Erinnerung formt sich im Gespräch'', ''Vom Büezer zum Lottokönig und wieder zurück'', ''Entgrenzte Arbeit in der 24-Stunden-Betreuung'', ''Von wo die Kinder nicht mehr zurückkommen'' und schliesslich: ''Kunst der Alltagsforschung''.

Sujets

Informations

Publié par
Date de parution 06 juin 2017
Nombre de lectures 0
EAN13 9783859903128
Langue German, Middle High (ca.1050-1500)

Informations légales : prix de location à la page 0,0720€. Cette information est donnée uniquement à titre indicatif conformément à la législation en vigueur.

Extrait

Ueli Mäder und Andreas Schwald (Hrsg.)
Soziologie des Alltags
edition 8
Ueli Mäder und Andreas Schwald (Hrsg.)
Dem Alltag auf der Spur
Zur Soziologie des Alltags
Besuchen Sie uns im Internet: Informationen zu unseren Büchern und AutorInnen sowie Rezensionen und Veranstaltungshinweise finden Sie unter www.edition8.ch
Die edition 8 wird im Rahmen des Konzepts zur Verlagsförderung in der Schweiz vom Bundesamt für Kultur mit einem Förderbeitrag für die Jahre 2016–2018 unterstützt.
März 2017, 1. Auflage, © bei edition 8. Alle Rechte, einschliesslich der Rechte der öffentlichen Lesung, vorbehalten. Lektorat: Andreas Schwald, Korrektorat: Brigitte Walz-Richter, Typografie und Umschlag: Heinz Scheidegger, Umschlagillustration: Internet; e-Book: mbassador GmbH, Luzern.
Verlagsadresse: edition 8, Quellenstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon +41/(0)44 271 80 22, info@edition8.ch
eISBN 978-3-85990-312-8
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1.
Annäherung
1.1
Zur Soziologie des Alltags
 
von Ueli Mäder
1.2
Soziologie und Belletristik
 
von Magdalena Küng
2.
Alltag: Feine Unterschiede
2.1
Kritik des Alltags: Ritual und Taktik
 
von Hector Schmassmann
2.2
Design im Alltag: Manifestation am Durchgangsort
 
von Reto Bürgin
2.3
Postpolitischer Pfeiler: Der Roche-Turm in Basel
 
von Samuel Schlaefli
2.4
Rollenwechsel: Papa in der Spielgruppe
 
von Peter Streckeisen
2.5
Macht und Ohnmacht in der Sozialen Arbeit
 
von Anna Suppa
3.
Forschungshefte: Dem Alltag auf der Spur
3.1
Der Sturz: »Oje, das kostet wieder«
 
von Nina Looser
3.2
An der Kasse scheiden sich die Klassen
 
von Martina Montañés
3.3
Ohnmachtsraum öffentliche Toilette
 
von Viviane Winter
3.4
Alltag in der WG – Macht und Dulden
 
von Sarah Madörin
4.
Biografisches
4.1
Erinnerung formt sich im Gespräch
 
von Heiko Heimann und Ueli Mäder
4.2
Zwischen Familie und Politik: Karin Winter-Dubs
 
von Carmen Buder
4.3
Vom Büezer zum Lottokönig und wieder zurück
 
von Anita Schürch
4.4
Entgrenzte Arbeit in der 24-Stunden-Betreuung
 
von Sarah Schilliger
4.5
Von wo die Kinder nicht mehr zurückkommen
 
von Saskia Jaeggi
5.
Reflexion
5.1
Über den Alltag hinaus
 
von Ueli Mäder
5.2
Kunst der Alltagsforschung
 
von Peter Streckeisen
Literaturverzeichnis
Autorinnen und Autoren
Vorwort
von Ueli Mäder und Andreas Schwald
Im Alltag dokumentiert sich, was sich in der Gesellschaft abspielt. Die Soziologie des Alltags beschreibt, wie Menschen handeln und welche Kontexte dabei mitwirken. Der vorliegende Band vereint Texte von Mitarbeitenden des Seminars für Soziologie der Universität Basel, einem emeritierten Geschichtsprofessor sowie von Studierenden, die im Herbstsemester 2015 an Lehrveranstaltungen von Ueli Mäder teilnahmen: Zur Soziologie des Alltags (an der Universität Basel) und zu Macht und Ohnmacht – biografisch erforscht (an der Universität Zürich). Die Studierenden verfassten mehrere hundert ansprechende Aufsätze. Viele würden sich eignen, hier publiziert zu werden. Wir beschränkten uns auf eine kleine Auswahl von Texten, die besondere Aspekte aufgreifen und sich gut ergänzen. Den Fokus richten wir auf den Umgang mit Macht und Ohnmacht. Und auf die Frage, ob und wie sich gesellschaftliche Verhältnisse ökonomisieren.
Die Bedeutung der Alltagsbeobachtung und damit der Alltagsforschung ist in der zunehmend reizüberfluteten Welt der Informationsgesellschaft umso wichtiger. Sie mahnt uns dazu, die Augen offen zu halten. Und nicht nur dem zuzuhören, was von aussen auf uns einströmt, sondern auch dem, was es in uns auslöst. Hier nimmt die Reflexion ihren Anfang. Die Beobachtungen beginnen im Kleinen, in der scheinbaren Banalität sich wiederholender Abläufe. Denn wer genau hinschaut, sieht mehr: Das gilt für SoziologInnen genau so wie für SchriftstellerInnen und JournalistInnen, zu deren täglichem Handwerk es gehört, den Alltag zu erfassen und hinter die Kulisse dieses vermeintlich Banalen zu blicken.
Den Rahmen der vorliegenden Publikation bilden eine inhaltliche Einleitung und belletristische Bezüge (1) sowie theoretische Reflexionen (5). In den mittleren Teilen geht es um die Bedeutung feiner Unterschiede (2), thematische Annäherungen (3) und biografische Texte (4). Alle enthalten auch Überlegungen zu weiteren theoretischen und methodologischen Zugängen. Sie greifen wesentliche Stränge der Alltagsforschung aus der französischen Soziologie auf und diskutieren, was das Erleben, Erinnern und Erzählen prägt. Einzelne Begebenheiten veranschaulichen zunächst situative Dynamiken. Dabei interessiert, inwiefern sich im gewöhnlich Alltäglichen gesellschaftliche Bedingungen und Veränderungen äussern.
1.    Annäherung
1.1 Zur Soziologie des Alltags
von Ueli Mäder
Die Soziologie will die Gesellschaft deutend verstehen. Und die Soziologie des Alltags? Sie nimmt alltägliche Begebenheiten und Dynamiken sinnlich wahr und fragt, inwiefern diese auch symbolisieren, wie die Gesellschaft funktioniert. Meine Annahmen lauten ganz einfach: Der Alltag dokumentiert erstens gesellschaftliche Verhältnisse; zweitens, was den sozialen Wandel kennzeichnet und drittens, wie ökonomisches Denken den Alltag durchdringt. Diese Vorannahmen sind Orientierungs-Hypothesen (Merton 1949/1957). Sie lassen sich empirisch nicht prüfen, aber weiter fundieren und differenzieren. Wir versuchen, dies ansatzweise zu tun. Mit kritischer Distanz auf alle Seiten hin.
Ich nähere mich hier zuerst über einfache Begebenheiten und literarische Beschreibungen dem Alltag an. Deren Auswahl wirft bereits die Frage nach normativen Prämissen auf, die möglichst transparent darzulegen sind. Die Frage nach der Normativität stellt sich auch bei den theoretischen Ansätzen, die helfen können, die Beispiele möglichst stimmig zu verorten und zu deuten. Aber wie lassen sich der Alltag und der soziale Wandel miteinander verknüpfen? Inwiefern dokumentiert sich das eine im andern? Wichtig sind hierbei methodologische Überlegungen, um weniger Gefahr zu laufen, eigene Vorannahmen in das Untersuchungsfeld zu projizieren. Dazu tragen auch vertiefende Fallstudien und Kontextanalysen bei. Sie ergänzen den alltagssoziologischen Zugang.
Einfache Begebenheiten
Ich sprach im Rahmen unserer Studie macht.ch (Mäder 2015a) mit dem CEO eines Schweizer Konzerns, der einen jährlichen Umsatz von gut sieben Milliarden Franken erzielt. Ein bekannter Wirtschaftsanwalt sass dabei. Er erhielt während unseres Gesprächs einen Anruf von einem Geschäftsmann, der Rat suchte. Und zwar wegen eines selbst verursachten Autounfalls. Offenbar hatte der Geschäftsmann während der Fahrt sein Handy benutzt. Der Anwalt empfahl ihm, das Handy verschwinden zu lassen und der Polizei zu sagen, ein Lastwagen habe ihn überholt und abgelenkt. Auf meine Frage, warum er den Geschäftsmann nicht dazu anhalte, bei der Wahrheit zu bleiben und sich zu entschuldigen, entgegnete mir der Anwalt: »Sie sind jetzt auch schon in vorgerücktem Alter, Herr Mäder. Und unterrichten immer noch an einer Universität. Aber so naiv wie Sie kann man gar nicht sein. Das ist doch ein Kunde von mir.« Ich sprach dann mehrere weitere Rechtsgelehrte – auch an unserer Universität – auf dieses Verständnis an. Und die meisten erklärten mir, den Anwalt gut zu verstehen und den Sachverhalt ähnlich zu beurteilen. Für mich deutet das Beispiel eher an, wie sich ein wirtschaftliches Denken selbst im Rechtsverständnis bemerkbar macht. Ein zweites Beispiel stammt von einer Studentin: Vera Nina Looser beschrieb im Rahmen unserer Vorlesung zur Soziologie des Alltags, wie sie während der Basler Herbstmesse 2015 auf dem Vorplatz der Universitäts-Bibliothek einen älteren Mann am Boden liegen sah. Er hatte sich am Kopf verletzt und blutete. Die Studentin alarmierte den Notfall und verständigte auch das Altersheim, in dem der Verunfallte lebt. Die Person, die den Anruf entgegen nahm, antwortete spontan: »Oje, das kostet wieder.« Sie dachte damit zuerst ans Geld. Offenbar ist das wirtschaftliche Effizienzdenken selbst in sozialen Einrichtungen präsent.
Drittes Beispiel: Ich sah an einem Sonntagmorgen früh eine ältere Frau, die beim Bahnhof Rheinfelden in der Unterführung inmitten einer Abfallwüste stand und ob dieser Sauerei den Kopf schüttelte. Ich nickte ihr kurz zu und begab mich weiter zum Perron. »Der Soziologe schaut wieder weg«, rief sie mir nach. Ich reagierte ausnahmsweise nicht, um vor Einfahrt des Zuges noch eine Lektüre aus dem öffentlichen Büchergestell bei den Gleisen behändigen zu können. Beim Einsteigen sah ich die Frau wieder, setzte mich zu ihr ins Abteil und hörte ihr bis Basel aufmerksam zu. Sie liess sich zunächst über unflätige Kids aus, die ihr aber irgendwie auch leid täten: Früher hätten alle Leute die Bahnbeamten noch namentlich gekannt und gegrüsst. Heute aber sei alles so anonym und da fühlten sich Jugendliche eben kaum mehr wahrgenommen. Da müssten die Kids schon ein wenig überborden, um aufzufallen und Spuren zu hinterlassen. Wie wahr, dachte ich. Hätte ich beim anfänglichen Lamento über die Jungen gleich dagegen gehalten, hätte das Gespräch einen ganz anderen Verlauf genommen. Wir hätten uns wohl auf ganz unterschiedliche Sichtweisen versteift. So kamen jedoch, assoziativ und ruhig, wesentliche weitere Aspekte zum Vorschein. Sie rücken die Ansichten der Frau in ein anderes Licht und veranschaulichen, wie wir selbst den Alltag mitkonstruieren und durch unterschiedlich gefärbte Brillen betrachten.
Und noch ein viertes Beispiel: In einem Gespräch (Mäder et al. 2010: 209) pflichtete mir Daniel Vasella, der damalige Verwaltungsratspräsident des Pharmakonzerns Novartis bei, dass sich derzeit die soziale Brisanz verschärfe. Aber was denn dabei problematisch sei, fragte er nach. Diese Verschärfung dynamisiere doch unsere Gesellschaft. Sein Vorgänger, Alex Krauer, sah das noch anders. Er plädierte stärker für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit bzw. z

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